50 shades of brain > 9 Barringtons Blasenzentrum

Nach Barr folgt Barrington…

BARRINGTONS BLASENZENTRUM, das Pontine Miktionszentrum (PMC, Barrington-Kern) zeigt uns deutlich, dass das Gehirn alles steuert (oder doch nicht?) – auch unsere Harnblase und unser Miktionsverhalten. Sogar die Bettnässer finden sich in unserem Gehirn und unseren Neuronen wieder…

Die Neuro-Urologie ist ein spezielles Gebiet der neurologischen Wissenschaften und spielt eine immense Rolle bei der Rehabilitation von querschnittgelähmten Patienten. Gutmann war nach Foerster (s.d.) wohl der erste, der sich – nachdem er aus Deutschland vertrieben wurde – in England um die Querschnittgelähmten kümmerte. Erst in diesem Zusammenhang wurde mir das PMC Jahrzehnte später ein Begriff.

Selbst in einschlägigen urologischen/neuro-urologischen Werken der Gegenwart findet das Blasenzentrum und insbesondere Barrington keine Erwähnung. Es wird notorisch ignorant, fast böswillig, unterschlagen…

Glückseliger Verlust von schadenvollen Gütern!
Der Reichtum hat kein Gut, das eurer Armut gleicht;
Die Eintracht wohnt bei euch in friedlichen Gemütern,
Weil kein beglänzter Wahn euch Zweitrachtsäpfel reicht;
Die Freude wird hier nicht mit banger Furcht begleitet,
Weil man das Leben liebt und doch den Tod nicht haßt;
Hier herrschet die Vernunft, von der Natur geleitet,
Die, was ihr nötig, sucht und mehrers hält für Last.
Was Epiktet getan und Seneca geschrieben,
Sieht man hier ungelehrt und ungezwungen üben

9 Barringtons Blasenzentrum

Frederick James Fitzmaurice Barrington

(* 1884, 1956)

war ein englischer Arzt des 19./20. JH

Über Barringtons Leben habe ich nichts Vernünftiges im Internet gefunden – aber dafür den Bericht eines seiner Patienten… (From England with Love) – und dieses Bild:

Frederick James Fitzmaurice Barrington

Quellen, Literatur & Veröffentlichungen

Barrington FJF The Nervous Mechanism of Uromiction (1914)

Barrington FJF The relation of the hind-brain to micturition (Brain 44, 1921)

Barrington FJF The effect of lesions of the hind‐ and mid‐brain on micturition in the cat (Quarterly Journal of Experimental Physiology, 1925)

From England with Love: An Indian Student Writes from Cambridge (1926–27) by Padma Desai

University College Hospital (University College London Hospitals NHS Foundation Trust); Quelle:

Mini-Exkurs:

(Obacht: der Student hieß Kalidas Desai, Frau Prof. Padma Desai ist seine Tochter – und sie gab seinen Briefwechsel heraus…

Prof. Padma Desai Edits „From England with Love. An Indian Student Writes from Cambridge 1926-27“

Thursday, October 30, 2014

(Übersetzung aus der engl. Wiki: jols, Microsoft, Linguee))

1926/27 schrieb Kalidas Desai, Student der englischen Literatur an der Universität Cambridge, jede zweite Woche einen Brief an seinen Freund und Kollegen Vishnuprasad Trivedi.

Bei einem ihrer Besuche in Surat erhielt seine Tochter Padma Desai eine Metallkiste mit diesen Briefen, die in Tinte auf braun vermoderndem Papier geschrieben war, die Grübeleien (Wiederkäuungen, Ruminationen) des jungen Kalidas zu einem breiten Themenspektrum: von seinen Kämpfen mit isländisch-nordischen und skandinavisch-angelsächsischen Sprachen bis zu seiner großen Freude an den Vorlesungen von T.S. Eliot; von seiner Verzauberung mit London, seinen Theatern und Cricket bis zu seiner tiefen Wertschätzung der englischen Landschaft; von den kulturellen und sozialen Gegenden zwischen Großbritannien und Indien bis hin zur allgemeinen Natur von Liebe, Religion und Bildung.

In „From England with Love“ präsentiert Padma Desai eine umfassende Auswahl dieser Briefe. Detailliert, malerisch und exquisit gefertigt, fängt Kalidas‘ Prosa das Ethos und den „Zeitgeist of England“  Mitte der 1920er Jahre ein, die Prüfungen und Siege einer Oxbridge-Ausbildung vor fast einem Jahrhundert und die scholaren Reflexionen eines indischen Studenten inmitten neuer und spannender Abenteuer.

Der Band wurde von Penguin Books India (2014) veröffentlicht.

Padma Desai ist Gladys und Roland Harriman Professorin für Vergleichende Wirtschaftssysteme.

Exkurs: Wie funktioniert die Harnblase?

NB: Die Blasenfunktion gehört mit zum Kompliziertesten, was man sich reinziehen muss. Ich kann mich aber Gott sei Dank auf den tollen Text von W. Jost (Neurologie des Beckenbodens – Neurourologie) beziehen…

Die Nieren produzieren Harn, der über die Harnleiter in die Harnblase gelangt. Die Harnblase ist im Prinzip nichts anderes als ein Muskel, der dafür sorgt, dass einerseits der Urin gesammelt wird und bei Bedarf ausgeschieden werden kann. Dieser (Blasen-) Muskel heisst „Detrusor“ (d.h. „Austreiber“). Es braucht aber auch „Öffnungen“, nämlich die Harnröhre und „Ventile“, die sich um den Blasenhals (ebenfalls ein Muskel, „Trigonum“ genannt, weil dieser Muskel dreiecksförmig aussieht) legen und sich „bei Bedarf“ öffnen oder schließen, denn der Urin soll ja nicht ständig rausträufeln…. Diese Muskelventile heißen innerer und äußerer Sphinkter (Schließmuskel, Ringmuskel). Was immer wieder vergessen wird, ist die Tatsache, dass auch die Beckenbodenmuskulatur in diesem System eine Rolle spielt

(und auch das Großhirn redet noch ein Wörtchen mit: Jetzt…). Das Großhirn erlaubt die bewusste Kontrolle der Miktion durch willentliche Kontraktion des quergestreiften Rhabdosphinkters und des M. Levator ani, um einer Miktion zu widerstehen. Es kontrolliert auch das PMC im Hirnstamm, damit eine willkürliche Unterdrückung der Detrusoraktivität erfolgen kann. Der äußere Schließmuskel (Sphincter externus) ist quergestreift (also ein Rhabdosphinkter) und kann daher willkürlich angesteuert werden.

Das Zusammenspiel zwischen Detrusor, Trigonum, Beckenbodenmuskulatur und den beiden Sphinkteren ist nun kompliziert und umfasst sowohl Barringtons Zentrum auf Mittelhirnebene (Pontines Miktionszentrum, PMC) als auch das Onuf-Zentrum auf RM-Ebene.

Während des Wasserlösens (Miktion) koordiniert das PMC die Kontraktion (Anspannung) des Detrusormuskels und die Relaxation (Entspannung) des quergestreiften urethralen Rhabdosphinkters.  

Das periphere NS (PNS) innerviert Blase und Harnröhre (Urethra) über folgende drei Nerven: Der N. pudendus (Schamnerv) innerviert den Rhabdosphinkter somatisch efferent. Direkte Nervenäste aus dem Plexus sacralis (sakrale Nerven S3-S5) innervieren den M. levator ani (Afterheber), also einen Hauptmuskel des Beckenbodens.

Im RM werden alle Impulse, die Blase und Harnröhre erreichen über Nerven geleitet, die ihren Ursprung im thorakolumbal sympathischen Bereich, im sakral parasympathischen Bereich und im somatischen Bereich haben. Die somatische und sympathische Innervation fördert die Harnspeicherung, während die parasympathische Innervation die Miktion fördert. Die Fasern aus dem sympathischen Kerngebiet (T10-L2) laufen über den N. hypogastricus und schütten Noradrenalin als Neurotransmitter aus.

Parasympathikus -> N. Pelvicus (Nn splanchnici)

Miktionszentren:

Pons (PMC) ->Koordination

T10-L2: Sympathicus -> N. hypogastricus

S2-S4: Parasympathikus -> -Onuf-Zentrum

Großhirn (Lobus frontalis, Lobus paracentralis)

Sobald die Blase ihre Kapazität erreicht hat werden afferente Impulse an das PMC weitergeleitet. Das PMC aktiviert nun das parasympathische Kerngebiet im RM (S2-S4), also das Onuf-Zentrum, sendet Impulse an das somatische Kerngebiet des N. Pudendus und hemmt auch die Sympathikusaktivität an Blase und Harnröhre.

Natürlich sind auch noch Nervengeflechte (Plexus) und Nervenbahnen dazwischengeschaltet, allen voran die Eingeweidenerven (Nn splanchnici).

Man muss jetzt noch wissen, dass der Detrusormuskel zur glatten Muskulatur gehört und damit willkürlich nicht angesteuert werden kann. Dieser Detrusor wird nun „sympathisch“, d.h. über den „Sympathikus“ gehemmt. Auch der innere Sphinkter ist ein glatter Muskel – der wird bei der Blasenfüllung aber nicht gehemmt, sondern aktiviert, was ebenfalls dazu führt, dass jetzt noch kein Urin rausläuft.

Der äußere Sphinkter ist ein quergestreifter Muskel und unterliegt der bewussten Kontrolle durch uns (Noch kein Wasserlösen…). Onuf-Kern und N. Pudendus (Schamnerv) kommen jetzt ins Spiel.

Blasenfüllung: Sympathicus und Onuf

„Afferenzen“ (sensible Nervenimpulse) aus der Blasenwand melden die zunehmende Dehnung der Harnblase (Vesica urinaria) über die „Eingeweidenerven“ des Beckens (Nn. Splanchnici pelvici) ans RM.

Die zunehmende Füllung der Harnblase führt zur Dehnung der Blasenmuskulatur und in der Folge zu:

  • sympathisch vermittelter Hemmung der glatten Muskulatur des Blasenkörpers, des M. Detrusors.
  • Aktivierung des ebenfalls unwillkürlichen glatten Sphinkters M. sphincter urethrae internum im Blasenhals und im Bereich des Ausgangsteils der Harnröhre (Ostium).
  • Aktivierung des quergestreift-muskulären Sphinkter (M. Sphincter urethrae externum) im Bereich des Diaphragmas urogenitale (Abkömmling des M. Transversus perinei profundus) über den Onuf-Kern und den N. Pudendus über Motoneurone (Kontinenzreflexe).
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Exkurs: neurogene Blasenlähmungen

Wenn man das soweit verstanden hat, kann man auch die versch. Neurogenen Blasenlähmungen verstehen:

  1. Areflexive Blase (LMNL ->
  2. Schlaffe Blase
  3. Reflexblase (UMNL -> spastische Blase, hyperreflexive Blase, spastische Blase
  4. Gemischte Blasenlähmung (konträre Blase

NB:

UMNL: upper motor neuron lesion (Lähmung des oberen motorischen Neurons

LMNL: lower motor neuron lesion (Lähmung des unteren motorischen Neurons