50 shades of brain > 32 Deiters: Deiters Kern
von Deiters gezeichnete Nervenzelle (1865)

Deiters ist den Neurochirurgen nicht unbedingt bekannt, wohingegen ihn die HNO-Ärzte und Neurologen lieben werden. Ganze Heerscharen von Medizinern und Wissenschaftlern beschäftigen sich mit unserem Gleichgewichtsorgan, zu dem eben auch die Gleichgewichtskerne gehören.

Namentlich erwähnen möchte ich Prof. T. Brandt und Frau Prof. Dr. M. Dietrich aus dem Klinikum Großhadern, welche sich extensiv mit dem Gleichgewicht beschäftigten,….

Und schon wieder ein weiterer Kern. Wie bereits erwähnt, ohne diese Zellhaufen im Nervensystem läuft gar nichts…

Sein Kern und sein Bündel beschreiben einen Zellhaufen und die dazugehörigen Fasern. Insgesamt gehören sie zu einem der vier Gleichgewichtskerne (vgl. Bechterew, Rolle, Schwalbe).

Es bleibt einem nichts anderes übrig, als sich mit dem Gleichgewicht ein wenig zu beschäftigen…

Aber diese Gleichgewichtskerne sind nur ein kleiner Teil seiner Entdeckungen. Eigentlich hat er die Nervenzelle mit Axon, Dendrit und Perikaryon (Zellleib) beschrieben…

Der eine lehrt die Kunst, was uns die Wolken tragen,
Im Spiegel der Natur vernünftig vorzusehn,
Er kann der Winde Strich, den Lauf der Wetter sagen
Und sieht in heller Luft den Sturm von weitem wehn;
Er kennt die Kraft des Monds, die Würkung seiner Farben,
Er weiß, was am Gebürg ein früher Nebel will;
Er zählt im Märzen schon der fernen Ernte Garben
Und hält, wenn alles mäht, bei nahem Regen still;
Er ist des Dorfes Rat, sein Ausspruch macht sie sicher,
Und die Erfahrenheit dient ihm vor tausend Bücher

32 Deiters Kern

Deiters Kern (lat. Nuc vestibularis lateralis, engl. Deiter`s nucleus)

Es handelt sich um den seitlichen Gleichgewichtskern, um einen der insgesamt 4 Gleichgewichtskerne

(s. Exkurs).

Deiters Bündel (tractus vestibulo-spinalis lateralis, LVST)

Nach Deiters sind auch benannt:

Deiters Typ-Neurone (engl. Deiter`s type neurons)

Es handelt sich um multipolare Nervenzellen mit langem, unverzweigtem, lediglich kollateralen-abgebendem Axon.

Deiterszellen: die zwischen den äußeren Hörzellen gelegenen, mit phalangenförmigen Fortsätzen ausgestatteten Stützzellen des Corti-Organs (s.d.) in der Hörschnecke.

Deiters-Bonnier-Syndrom: Schwindel, Übelkeit, Nystagmus u. Hörstörungen, evtl. auch Okulomotoriusausfälle u. Trigeminusneuralgie bei Schädigung des Deiters-Kernes (bzw. der bulbo-pontinen Region).

Quelle:

Das Corti-Organ ist der Sitz des Gehörsinnes in der Cochlea des Innenohrs. Es ist ein System aus Sinnes- und Stützzellen, sowie Nervenfasern. (doccheck)

Es sitzt der Basilarmembran (Membrana spiralis) auf und ist nach oben hin durch eine azelluläre Deckmembran (Tektorialmembran) vom Lumen des Ductus cochlearis abgetrennt.

Die für die Schallwahrnehmung verantwortlichen Sinneszellen des Corti-Organs werden Haarzellen genannt. Dabei handelt es sich um Mechanorezeptoren, die an ihrem apikalen Zellpol Stereozilien-Büschel tragen. Ihre Spitzen sind durch feine Zellmembranbrücken verbunden, die so genannten tip links. Man unterscheidet nach ihrer Lokalisation zwei Formen vor Haarzellen:

 äußere Haarzellen (OHC – „Outer Hair Cells“): Sie stehen nebeneinander in drei Zellreihen auf der Außenseite des Corti-Organs. Auf ihrem apikalen Zellpol finden sich 3 Reihen W-förmig angeordneter Stereozilien. Die Stereozilien der äußeren Haarzellen sind in der Tektorialmembran verankert.

innere Haarzellen (IHC – „Inner Hair Cells“): Sie befinden sich in einer Zellreihe an der Innenseite des Corti-Organs, d.h. näher am Modiolus. Ihre Stereozilien stehen nicht in Kontakt zur Tektorialmembran.

Im Corti-Organ gibt es insgesamt ungefähr 15.000 Haarzellen. Neben den Haarzellen finden sich auch zahlreiche Stützzellen. Hier unterscheidet man histologisch unter anderem Deiters-Zellen, sowie innere und äußere Pfeilerzellen.

Exkurs: Das Corti-Organ (Corti’sches Spiralorgan

lat. Organon spirale)

ist die Bezeichnung für die Schnittstelle in der Schnecke des Innenohrs zwischen den akustischen mechanischen Schwingungen und den Nervensignalen.

Benannt nach dem italienischen Anatomen

Alfonso Giacomo Gaspare Corti

(* 15. Juni 1822 in Gambarana (Lombardei); † 2. Oktober 1876 in Corvino San Quirico, Lombardei)

Corti wuchs zusammen mit seinem Bruder, dem späteren Diplomaten Luigi Graf Córti (1823-1888), in einer hochadligen Familie des Königreichs Sardinien-Piemont auf. Er studierte ab 1841 Medizin an der Universität Pavia bei Bartolomeo Panizza (1785- 1867) sowie Mauro Rusconi (1776-1849) und wurde stark vom Anatomen Antonio Scarpa (1752-1832) beeinflusst. 1847 ging er an die Universität Wien, wo er sein Medizinstudium abschloss, und arbeitete anschließend bei Josef Hyrtl (1810-1894). 1850/1851 wechselte er zu Rudolf Albert Kölliker (s.d., 1817-1905) an die Universität Würzburg, wo er begann, sich mit dem Innenohr der Säugetiere zu befassen. 1851 entdeckte er das eigentliche Rezeptorgebiet im Innenohr, das – auf einen Vorschlag Köllikers von 1854 hin – nach ihm benannte Corti’sche Organ.

Marchese (Graf) Corti war Mitglied zahlreicher europäischer wissenschaftlicher Gesellschaften. Im Jahr 1854 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt.

Das Corti-Organ ist der Träger der Sensorzellen im Innenohr aller Säugetiere. Außerdem enthält es Stützzellen, die die Sinneszellen umgeben. Von der Scala tympani ist es durch die Basilarmembran getrennt. An der anderen Seite hat das Organ beim Menschen drei Reihen äußerer und eine Reihe innerer Haarzellen (Hörsensorzellen). Deren „Zellhärchen“ (Stereovilli) ragen in einen Spalt, der mit der Scala media in Verbindung steht und mit Endolymphe gefüllt ist. Eine Zelle kann bis zu hundert Stereovilli haben. Über dem Spalt befindet sich (in der Scala media) die Tektorialmembran, eine gelatinöse Masse. Die längsten Stereovilli der äußeren Haarzellen haben Kontakt zur Tektorialmembran. Die Auslenkung der Stereovilli der inneren Haarzellen löst die Reiztransduktion und somit das Hörempfinden aus. Im Gegensatz zu den Haarzellen des Gleichgewichtsorgans haben die Haarzellen der Cochlea keine Kinozilien.

Schallempfindung

Eine Schallwelle wird über das Trommelfell und die Gehörknöchelchen im Mittelohr auf die Scala vestibuli übertragen, die wie die Scala tympani mit Perilymphe gefüllt ist. Die Druckwelle in der Scala vestibuli führt zur Auslenkung der Reissner-Membran, der Scala media und des gesamten Corti-Organs Richtung Scala tympani. Dadurch kommt es zu einer Scherbewegung der Tektorialmembran gegen die Haarzellen: Die Stereovilli der äußeren Haarzellen werden abgebogen, und diese Zellen dadurch erregt. Die meisten Stereovilli sind durch sogenannte ‚tip links‘ mit dem dahinter stehenden Villus verbunden, so dass diese gemeinsam ausgelenkt werden. Durch die Verschiebung öffnen bzw. schließen sich zur Endolymphe gerichtete Kationen-Kanäle in der Haarzelle.

Hintergrund und Insiderwissen

Die Kalium-Ionen-Konzentration ist in der Endolymphe und in den Haarzellen etwa gleich hoch. Die Endolymphe ist jedoch mit etwa 85 mV positiv geladen, die Haarzellen haben dagegen ein negatives Ruhemembranpotential von etwa −70 mV. Bei offenen Kalium-Kanälen fließen die positiv geladenen Kalium-Ionen daher in die Haarzellen ein.

Die dadurch hervorgerufene Depolarisation der Zellmembran führt bei den äußeren Haarzellen zu einer oszillierenden Längenänderung, die sich auf die Basilarmembran überträgt. Dabei können Geschwindigkeiten von bis zu 20.000 Schwingungen pro Sekunde erreicht werden. Für eine bestimmte Tonhöhe kommt es nur an einer Stelle der Gehörschnecke zu einer solchen Verstärkung. Nur hier kommt es zu einer massiven Verstärkung in der Strömung der Endolymphe unter der Tektorialmembran. Dadurch werden an dieser Stelle auch die inneren Haarzellen erregt. Diese lokale Begrenzung der Erregungsverstärkung erlaubt eine Unterscheidung verschiedener Tonhöhen (siehe auch cochleärer Verstärker und Wanderwelle).

Die inneren Haarzellen werden ebenfalls depolarisiert. Dies führt am unteren Ende der Zellen zur Freisetzung des Neurotransmitters Glutamat. Es diffundiert durch den synaptischen Spalt zur benachbarten Nervenzelle und führt dort zur Bildung von Aktionspotentialen, welche die Information über den gehörten Ton elektrisch an das Gehirn weiterleiten. Dies erfolgt über den Hörnerv.

Die Repolarisation der Haarzellen erfolgt über kaliumspezifische Kanäle an der seitlichen Zellmembran.

Quellen, Veröffentlichungen & Literatur

Robert F. Schmidt, Florian Lang, Manfred Heckmann: Physiologie des Menschen. mit Pathophysiologie. 31. Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010

Walter Kley: Alfonso Corti (1822–1876) – Discoverer of the Sensory End Organ of Hearing in Würzburg. In: Journal for Oto-Rhino-Laryngology and its Related Specialities. Band 48, 1986 doi:10.1159/000275847.

Rainer Brömer: Corti, Graf Alfonso. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005

Reinhard Hildebrand: Rudolf Albert Koelliker und seine wissenschaftlichen Kontakte zum Ausland. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 2, 1984

Deutschländer, A, Hüfner, K, Kalla, R, Stephan, T, Dera, T, Glasauer, S, Wiesmann, M, Strupp, M, and Brandt, T (2008): Unilateral vestibular failure suppresses cortical visual motion processing. Brain 131 (Pt 4): 1025-1034. (Abstract)

Dieterich, M and Brandt, T (2008): Functional brain imaging of peripheral and central vestibular disorders. Brain 131 (Pt 10): 2538-2552. (Abstract)

Zwergal, A, Büttner-Ennever, J, Brandt, T, and Strupp, M (2008): An ipsilateral vestibulothalamic tract adjacent to the medial lemniscus in humans. Brain 131 (Pt 11): 2928-2935. (Abstract)

Glasauer, S and Brandt, T (2007): Non-commutative updating of perceived self-orientation in three dimensions. J Neurophysiol 97 (2958-2964): (Abstract)

Brandt, T, Schautzer, F, Hamilton, DA, Brüning, R, Markowitsch, HJ, Kalla, R, Darlington, C, Smith, P, and Strupp, M (2005): Vestibular loss causes hippocampal atrophy and impaired spatial memory in humans. 128 (Pt 11): 2732-2741. (Abstract)

Strupp, M, Zingler, VC, Arbusow, V, Niklas, D, Maag, KP, Dieterich, M, Bense, S, Theil, D, Jahn, K, and Brandt, T (2004): Methylprednisolone, valacyclovir, or the combination for vestibular neuritis. N Engl J Med 351 (4): 354-361. (Abstract)

Siehe auch: Bechterews Kern, Rollers Kern, Schwalbes Kern, Cajals Kern, Reissner-Membran.

Otto Friedrich Karl Deiters

(* 15. November 1834 in Bonn; † 5. Dezember 1863 in Bonn)

war ein deutscher Arzt, Internist und Anatom des 19. JH.

– und ist der nach Blanes wohl am jüngsten Verstorbene aller Hirnforscher… In seinem Sterbealter war ich gerade mal mit dem Medizinstudium fertig…

Deiters erlangte Berühmtheit für seine Beschreibung der Nervenzelle mit Identifikation des Axons, die er als Axis-Zylinder bezeichnete, und ihrer Dendriten (1860) – insofern müssten eigentlich die Neuronen nach ihm benannt sein….

Otto Friedrich Karl Deiters

Er unterschied klar zwischen dem einzelnen Axon und den vielen Dendriten dieser Ganglienzelle aus der grauen Substanz des Rückenmarks. Public domain

Biographisches

Otto Deiters wurde 1834 als Sohn des Jura-Professors Peter Franz Deiters und Bruder des späteren Musikwissenschaftlers Hermann Deiters geboren.

Er studierte Medizin an der Universität Bonn, wo er 1856 promovierte. Bereits während seines Militärdienstes arbeitete er ab 1857 im Pathologischen Institut Bonn unter Rudolf Virchow (s.d.). 1858 habilitierte er sich in Bonn für Anatomie. Gleichzeitig arbeitete er als Internist in eigener Praxis, da die Familie nach dem Tode des Vaters in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Unter dieser Doppelbelastung (wiki) soll seine Gesundheit gelitten haben…

Otto Deiters verstarb im Alter von nur 29 Jahren an Typhus.

Universität Bonn; Quelle:

Wissenschaftliches Werk

Sein Name ist vor allem mit dem Nuc vestibularis lateralis („Deiters-Kern“) verbunden, den er entdeckt hat.

Auch die sog. Stützzellen zwischen den äußeren Haarzellen des Corti-Organs in der Hörschnecke sind nach ihm benannt (Deiterszellen).

Werke & Veröffentlichungen

De incremento musculorum observationes anatomico-physiologicae (Dissertation. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 1856)

Merkwürdige Scharlachfälle (1859)

Ueber den heutigen Stand der Lehre von der Zelle (Deutsche Klinik. 11, 1859)

Untersuchungen über die Lamina spiralis membranacea (Bonn, 1860). (Virtual Laboratory MPIWG)

Untersuchungen über die Schnecke der Vögel (Arch Anat Physiol wissensch Med, 1860)

Erklärung, die Lamina spiralis membranacea betreffend (Arch path Anat. 19, 1860)

Beitrag zur Histologie der quergestreiften Muskeln (Arch Anat Physiol wissensch Med, 1861)

Ueber das innere Gehörorgan der Amphibien (Arch Anat Physiol wissensch Med, 1862)

mit Max Schultze (Hrsg.): Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark des Menschen und der Säugethiere (Vieweg, Braunschweig 1865) (archive.org)

Exkurs: Die Gleichgewichtskerne (Vestibularkerne) und das Gleichgewicht

Nuc vestibularis sup (Bechterew)

Nuc vest med (Schwalbe)

Nuc vest lat (Deiters)

Nuc vest inf (Roller)

Der Boden des IV. Ventrikels (Rautengrube) mit der Oberfächenprojektion der Hirnnervenkerne

NB: Das vestibuläre System ist auch mit den Rezeptoren und Sensoren des propriozeptiven Systems verbunden.