50 shades of brain > 14 Bell-Magendie-Gesetz

Ob nun Bells Werk tatsächlich mit der „Magna Charta“ (die ohnehin nur Bedeutung für England oder die angelsächsischen Länder hat…) gleichzusetzen ist, sei dahingestellt. Jedenfalls muss es wohl eine revolutionär neue Erkenntnis gewesen sein, dass die Rückenmarksnerven zwei Wurzeln haben: eine motorische Vorderwurzel und eine sensorische Hinterwurzel und dass diese sog. Spinalnerven über das RM mit dem Gehirn in Verbindung stehen.

Und offensichtlich gelang es erst 10 Jahre später, diese „Vermutung“ zu beweisen, so dass es sicherlich gerechtfertigt ist, auch Magendie ins Boot zu holen und so die Bezeichnung „Bell-Magendie“-Gesetz gerechtfertigt erscheint (In England spricht man eher nur vom Bell-Gesetz).

Aber was heisst schon Gesetz, es ist eher eine Regel – und noch eher eine Tatsache. Bell hat halt eine frappierend einfache Regel entdeckt, die wieder einmal das Wesen der nervösen Strukturen erhellt. Danach kann man zwar keine künstlichen Hirne bauen, aber verstehen, wie unser Nervensystem funktioniert…

Wie häufig begnügen sich die Heroen des Hirns nicht mit einer Entdeckung allein. Bell beschrieb auch Nerven, Lähmungen, klinische Zeichen und konnte auch noch verrückt gut zeichnen und malen…

Bell hat sich in exzessiver Weise mit dem Gesichtsnerven (N. facialis, dem 7. Hirnnerven) beschäftigt, so dass dieser Nerv eigentlich Bellscher Nerv heißen müsste – tut er aber nicht: Dafür hat man einen anderen Nerven nach ihm benannt, den N. thoracicus longus (langer Brustkorbnerv), der für die Ausatmung zuständig ist. Andererseits heisst die Lähmung des Gesichtsnerven nach ihm: Bellsche Lähmung.

Dass Bell offensichtlich ein lausiger Chirurg war mit einer Mortalität von um die 90% (nur bei Amputationen?) müssen wir hier nicht vertiefen, aber es tut mir leid um seine Patienten…

Bayern! Nehmt euch ein Beispiel – während mehrere Schotten zu den Endeckern des Gehirns gehören, findet sich bis heute kein einziger echter (Alt-)bayer darunter…

Wann durch die schwüle Luft gedämpfte Winde streichen
Und ein begeistert Blut in jungen Adern glüht,
So sammlet sich ein Dorf im Schatten breiter Eichen,
Wo Kunst und Anmut sich um Lieb und Lob bemüht.
Hier ringt ein kühnes Paar, vermählt den Ernst dem Spiele,
Umwindet Leib um Leib und schlinget Huft um Huft.
Dort fliegt ein schwerer Stein nach dem gesteckten Ziele,
Von starker Hand beseelt, durch die zertrennte Luft.
Den aber führt die Lust, was Edlers zu beginnen,
Zu einer muntern Schar von jungen Schäferinnen.

14 Bell-Magendie-Gesetz

Bell-Magendie-Gesetz (-Regel, engl. Bell-Magendie law, Bell’s Law)

Die Vorderwurzel eines Spinalnerven enthält nur motorische Fasern, die Hinterwurzel enthält nur sensible (sensorische) Fasern…

Mehr gibt es zu dieser Regel nicht zu sagen, das versteht wohl auch jeder…

Nach Bell sind des Weiteren benannt:

Bell-Nerv (langer Brustnerv, lat. N. thoracicus longus)

Es handelt sich um einen motorischen Nerv aus der Pars supraclavicularis des Armgeflechts (Plexus brachialis). Seine Fasern entstammen den Segmenten C5–C7. Der N. thoracicus longus versorgt den vorderen Sägezahnmuskel („Boxermuskel“, M. serratus anterior) und dient der Einatmung.

Bellsche Lähmung (Bell-Parese, Bell’s palsy):

Es handelt sich um eine einseitige idiopathische Lähmung der Gesichtsmuskulatur (fazialen Muskulatur) aufgrund einer Läsion des N. Facialis.

Bell-Zeichen (Bell’s phenomenon):

Aufwärts- und Aussenrotation des Augapfels während des Lidschlusses, klinisch nur zu beobachten bei einer Fazialisparese, da hier kein Lidschluss erfolgt.

Bell-Spasmus (Fazialiskrampf, Fazialis-Tic, mimischer Gesichtskrampf, engl. Bell’s spasm): unwillkürliches Zucken der vom N. Facialis versorgten Gesichtsmuskeln.

Bell-Dally-Dislokation: Offensichtlich ist diese spontane, nicht traumatische Atlas- bzw. Wirbelkörper-Dislokation, z.B. bei rheumatischer Arthritis oder auch als Geburtstrauma (Vakuumextraktion) nach ihm benannt…. (Springer)

NB: Auch wenn sich Charles Bell mit der WS beschäftigt haben sollte, glaube ich eher, dass es sich bei diesem Syndrom nicht um Charles handelt, sondern eher um Alexander Bell (keine Daten…, wäre aber auch dann nicht zu verwechseln mit dem Erfinder des Telefons…). Über Dally findet man eh nix im Netz…

Sir Charles Bell

(* 12. November 1774 in Doun in Monteath/Edinburgh; † 28. April 1842 in Hallow Park/Malvern Hills bei Worcester)

war ein schottischer Arzt, Chirurg, Anatom und Physiologe des 18./19. JH.

Biographisches

Bell war ab 1828 Professor in London und ab 1836 Professor und Lehrstuhlinhaber der Chirurgie in Edinburgh.

Wissenschaftliches Werk

Er entdeckte, dass die peripheren Nerven mit dem Gehirn in Verbindung stehen. 1811 formulierte er die These, dass die hinteren Äste der sog. Spinalnerven (also die vom RM ausgehenden Nerven) sensorische, während die vorderen Äste dieser Spinalnerven motorische Funktion haben. 1822 konnte diese Vermutung von François Magendie (s.d.) bestätigt werden.

Bell forschte auch über die Hand sowie über die aufrechte Haltung des Menschen und bezeichnete das Bewusstsein für Bewegung und Körperhaltung, also für die Muskeltätigkeit, als „sechsten Sinn“ bzw. „Bewegungs- und Lagesinn“.

Ehrungen & Auszeichnungen

Bell war ab 1807 gewählter „Fellow of the Royal Society of Edinburgh“ (RSE) – auf Vorschlag von Robert Jameson, William Wright and Thomas Macknight. Er war ab 1836 auch Ratsmitglied (Councillor) der RSE.

Ab 1826 auch gewählter „Fellow of the Royal Society of London“ und erhielt die Royal Society’s Gold Medal“ für seine zahlreichen wissenschaftlichen Entdeckungen. 1829 wurde Bell von der Royal Society mit der Royal Medal ausgezeichnet. Bell wurde 1831 auch „Knight of the Guelphic Order of Hanover“ (Ritter des Welfischen Ordens in Hannover) und im gleichen Jahr auch gewähltes auswärtiges Mitglied der Royal Swedish Academy of Sciences.

Quellen, Literatur & Veröffentlichungen

Essays on the Anatomy of Expression in Painting (1806)

New Idea of Anatomy of the Brain (1811) (Dieses Werk wurde manchmal auch als die „Magna Charta der Neurologie“ genannt – wieso eigentlich…)

An exposition of the natural system of the nerves of the human body. With a republication of the papers delivered to the Royal Society, on the subject of the nerves (London, 1824).

The Nervous System of the Human Body (1830)

The hand; its mechanism and vital endowments, as evincing design. Bridgewater Treatises on the power wisdom and goodness of God as manifested in the creation (William Pickering, London 1833)

The hand; its mechanism and vital endowments, as evincing design and illustrating the power, wisdom, and goodness of God (Die Hand; ihr Mechanismus und lebenswichtige Begabungen, wie es zeigt, die Macht, Weisheit und Güte Gottes zu entwerfen und zu veranschaulichen

(Charles Bell, Sir; Alexander Shaw. 8th ed. London, G. Bell & Sons, 1885.)

Bell soll ein jämmerlicher Chirurg gewesen sein, aber auch ein begnadet-bizarrer Maler…

Opisthotonus (Tetanus) by Charles Bell (1809)

from “Anatomy of the Brain Explained in a Series of Engravings”
Image credited to Special Collections Research Center, University of Chicago Library.
The Maniac by Charles Bell (1806); Quelle:
Im Labyrinth der Neuronen…(Paul Klee)er Neuronen…(Paul Klee)