50 shades of brain > 57 Gowers Bündel

In dürren Worten wird hier festgestellt, dass ein englischer Student im 19. JH in London Medizin studierte (ausnahmsweise nicht an den Elite-Universitäten Cambridge oder Oxford), einen einigermaßen berühmten Lehrer hatte und schwupp-di-wupp wie Harry Potter mit dem Zauberstab im Rückenmark eine neue Leitungsbahn entdeckte… (oder vielleicht sogar dorthin gezaubert hatte, damit wir rechtzeitig unsere Pfoten von der heißen Herdplatte wegziehen, bevor wir sie uns verbrennen…).

Vielleicht hat er auch nur gesagt: Hey, Mary, ich habe heute soeben mal eine neue Nervenautobahn zwischen RM und KH entdeckt… Mary: Wie hast Du das gemacht? William: Ich habe ein paar tote Zombies seziert…

William und Mary hatten offenbar nicht nur 4 gesunde Kinder, sondern sie trugen auch das Gen der Genialität über die Generationen weiter: Schriftsteller, Musiker und Mathematiker…

Gowers entdeckte den Tractus spino-cerebellaris anterior, Flechsig den Tractus spino-cerebellaris posterior. Beide aufsteigende Bahnen liefern sensible Informationen von der Peripherie über das Rückenmark zum Kleinhirn…

Elende! rühmet nur den Rauch in großen Städten,
Wo Bosheit und Verrat im Schmuck der Tugend gehn,
Die Pracht, die euch umringt, schließt euch in güldne Ketten,
Erdrückt den, der sie trägt, und ist nur andern schön.
Noch vor der Sonne reißt die Ehrsucht ihre Knechte
An das verschloßne Tor geehrter Bürger hin,
Und die verlangte Ruh der durchgeseufzten Nächte
Raubt euch der stete Durst nach nichtigem Gewinn.
Der Freundschaft himmlisch Feur kann nie bei euch entbrennen,
Wo Neid und Eigennutz auch Brüder-Herzen trennen.

57 Gowers Bündel

Das Gowersbündel (Tractus spino-cerebellaris anterior)

NB: Das Gowers- und Flechsigbündel sind Teile des Tractus spino-cerebellaris Es handelt sich dabei um Nervenbahnen im Vorderseitenstrang des RM (s. Abb.), welche propriozeptive Afferenzen aus Muskelspindeln und Sehnenorganen (Golgi) zum Kleinhirn leiten. Sie beginnen im Hinterhorn des RM und ziehen über den oberen Kleinhirnstiel (Pedunculus cerebellaris superior) weiter zum KH-Wurm (Vermis cerebelli). Teilweise wechseln dabei die Fasern in der Commissura alba anterior auf die andere Seite.

Warum bewegen wir uns, wie wir uns bewegen? Warum können wir uns so bewegen, wie wir uns bewegen wollen? Was bewegen wir? Unsere Arme und Beine (Extremitäten, wie die Mediziner sagen), unseren Rumpf und den Kopf. Dafür haben wir unseren Bewegungsapparat. Der besteht aus Knochen, welche bewegungstechnisch nur unsere Gelenke tragen, sowie aus der Muskulatur, mit der wir unsere Gelenke „einstellen“. Dann brauchen wir Sensoren, die unserem Gehirn melden, wo und wie unsere Gelenke stehen. Es handelt sich dabei um Informationen aus unserem Körper selbst und das nennen wir „propriozeptiv“ (lat. proprius = eigen, d.h. in diesem Sinne „zum Körper gehörig“). Da diese Informationen von der Peripherie zum Gehirn laufen, nennen wir das „afferent“ (lat. afferre= herbeibringen, d.h. in diesem Sinne zum Gehirn bringen). Und weil die Bahn von der Peripherie zum Gehirn aufsteigt, sind es eben aufsteigende Bahnen.  Und da sie vom Rückenmark (=Spinalmark) zum Kleinhirn (=Zerebellum) laufen, heißen diese Bahnen eben spino-zerebelläre Bahnen.

Zusammengefasst sind das Gowers- und Flechsig-Bündel also aufsteigende und afferente spino-zerebelläre Nervenbahnen, welche vom Rückenmark (RM) zum Kleinhirn (KH) verlaufen und propriozeptive Informationen aus Muskel- und Sehnenrezeptoren führen. Alles klar?

Hintergrund & Insiderwissen

Als Tractus spino-cerebellaris werden die Kleinhirn-Seitenstrangbahnen bezeichnet, die propriozeptive Informationen aus dem RM (Medulla spinalis) zum KH leiten. Übersetzt man den lateinischen Begriff Tractus spino-cerebellaris, so kann der Verlauf teilweise hergeleitet werden. Unter dem Begriff Tractus versteht man einen Gewebezug bzw. eine Fasergruppe, unter -spino das Rückenmark und -cerebellaris bezeichnet das Kleinhirn. Der Tractus spino-cerebellaris wird in den Tractus spino-cerebellaris anterior (ventral verlaufender Nervenstrang -> Gowersbündel) und in den Tractus spino-cerebellaris posterior (dorsal verlaufender Nervenstrang -> Flechsigbündel) unterteilt. Der dorsal verlaufende Nervenstrang hat vermutlich die schnellste Reizweiterleitung mit 120m/s im ZNS. Die schnelle Reizweiterleitung hat den Vorteil, dass Bewegungen unterbewusst in Gefahrensituationen schnell ausgeführt werden können. Dies kann beispielsweise das Wegziehen der Hand von einer heißen Herdplatte oder Flucht aus gefährlichen Situationen sein. Diese Nervenbahnen sind hauptsächlich für die Weiterleitung der unterbewussten Tiefensensibilität vom RM zum KH zuständig und lösen somit unbewusste und routinierte Bewegungsabfolgen aus.

Die Faserzüge des tractus spino-cerebellaris anterior bekommen ihren Input von Spinalnerven auf Segmenthöhe im Hinterhorn. Hier kreuzen sie zur kontralateralen Seite und zurück. Die Kreuzung hat zur Folge, dass das KH nur Impulse einer Seite (ipsilateral) des RM erhält.

Die Fasern des Tractus spino-cerebellaris posterior bekommen ihren Input von Spinalnerven auf Segmenthöhe im Nuc thoracicus posterior und kreuzen sich nicht im RM. In ihrem Verlauf liegt die erste Nervenzelle (Neuron) beider Faserstränge im Spinalganglion.

Das Spinalganglion ist eine Ansammlung von Nervenzellkörpern, welche an der hinteren Nervenwurzel eines Spinalnervs vorzufinden sind. In einer Ganglienzellgruppe, die in der grauen Substanz (Nuc dorsalis) des RM liegt, werden die Faserstränge des Tractus spino-cerebellaris posterior auf den Laminae (Nervenzellplatten, s. Rexed) V und VI auf das zweite Neuron geschaltet. Die Verschaltung des Tractus spino-cerebellaris anterior erfolgt in den Laminae V-VII. Die Faserzüge enden im KH. Die dorsal verlaufende Nervenbahn tritt durch den unteren Kleinhirnstiel (Pedunculus cerebellaris inferior) und die ventral verlaufende Nervenbahn durch den oberen Kleinhirnstiel (Pedunculus cerebellaris superior) in das KH ein. Beide Faserzüge enden im Vorderlappen (Lobus anterior) und der intermediären Längszone des KH. Beide Anteile geben Kollateralen zum Nuc emboliformis und Nucleus globosus ab.

Funktion & Aufgaben

Der Tractus spino-cerebellaris hat die Funktion, die unterbewussten tiefensensiblen Reize („Informationen“) aus der Peripherie (Bewegungsapparat) über das RM zum KH zu leiten. Diese Informationen ermöglichen die Bewegungsteuerung und Abstimmung der Feinmotorik.

Die Faserstränge unterscheiden sich nicht nur durch die Verschaltung auf die Neuronen, sondern auch in ihren Hauptfunktionen.

Der Tractus spino-cerebellaris anterior leitet hauptsächlich die Reize aus der Peripherie an das KH. Aber auch Feedbackimpulse der absteigenden Pyramidenbahnen werden so dem KH zugeführt, um dieses über eine aktuell eingeleitete motorische Bewegungsabfolge zu informieren.

Der Tractus spino-cerebellaris posterior leitet propriozeptive Afferenzen in unbewusster Form an das Kleinhirn. Hauptmerkmal ist hier der Spannungszustand der Muskelspindeln und die einzelnen Gelenkstellungen mit ihren Sehnen und Gelenkkapseln. Die Impulse aus den tieferliegenden Körperschichten gelangen so über die spino-zerebellären Bahnen zum Gleichgewichtsorgan.

Auch Informationen der propriozeptiven Wahrnehmung der Hautrezeptoren werden über den dorsalen Nervenstrang zum KH geleitet.

Das KH wird somit über alle propriozeptiven Afferenzen informiert und kann über die polysynaptischen Efferenzen Einfluss auf den Muskeltonus im Zusammenhang mit der jeweiligen Gelenkstellung nehmen.

Quelle: https://medlexi.de/Tractus_spinocerebellaris

Nach Gowers sind auch benannt:

Gowers-Zeichen (Gowers-Manöver), ein typ. Befund bei Patienten mit progressiver Muskeldystrophie (bei proximal betonter Muskelschwäche)

  1. am gestreckt Liegenden durch passive Streckung (Dorsalflexion) von Fuß oder Großzehe ausgelöster Ischiasschmerz.
  2. das „Hochklettern“ an den eigenen Beinen bei Aufrichten aus dem Sitzen oder Hocken als Zeichen der Muskeldystrophie (v.a. bei Typ Duchenne u. Kugelberg-Welander).

Gowers Reflex -> Kontraktion des M. triceps surae nach Beklopfen des Schienbeines (bei gebeugtem Knie u. dorsalflektiertem Fuß).

Bragard-Gowers-Syndrom (B-G-Zeichen, Ischiassyndrom, Ischias, Ischiasreizung, engl. sciatica, sciatic pain syndrome, ischialgia , ICD 10: M54.3 Ischialgie)

Akut oder subakut auftretende radikuläre Reizsymptomatik des Nervus ischiadicus mit dermatomorientierter Schmerzausstrahlung ins Bein, Abschwächung der Muskeleigenreflexe (MER) und Störung der Willkürmotorik. Therapiert wird konservativ mit Analgetika, Antiphlogistika und Physiotherapie sowie chirurgisch bei wiederkehrenden oder beidseitigen Schmerzen oder neurologischen Ausfällen. Pschy

Siehe auch: Flechsig-Bündel, Lissauer-Bündel, Rexed-Schichten, Stilling-Clarke-Säule

Sir William Richard Gowers

(* 20. März 1845 in London; † 4. Mai 1915 in London)

war ein englischer Neurologe des 19./20 JH.

Sir William Richard Gowers, Quelle:

Biographisches

Gowers war der Sohn von William Gowers und dessen Ehefrau Ann Venables. Nach seiner Schulzeit, die Gowers in der Christ Church School in Oxford absolviert hatte, begann er am University College London (UCL) Medizin zu studieren. Dort wurde er Schüler u. a. von dem Neurologen Sir William Jenner (1815-1898).

1875 heiratete Gowers Mary Baines. Mit ihr hatte er zwei Töchter und zwei Söhne; darunter den Schriftsteller Ernest Gowers (1880-1966). 1897 wurde Gowers zum Ritter geschlagen. Im Alter von 70 Jahren starb er 1915 in London.

Ein Ur-Urenkel von ihm ist der Mathematiker William Timothy Gowers (* 1963), einer der brilliantesten Denker unserer Zeit.

University College London (UCL) Quelle: Wiki

Werke, Literatur & Veröffentlichungen

Diagnostik der Rückenmarkskrankheiten (Wilhelm Braumüller, Wien, 1885)

Vorlesung über die Diagnostik von Gehirnkrankheiten (Lectures on the diagnosis of diseases of the brain) Freiburg: Mohr, 1886

Ein Fall von Rückenmarksgeschwulst mit Heilung durch Exstirpation (A case of tumor of the spinal cord) Berlin: Hirschwald, 1889

Handbuch der Nervenkrankheiten (A manual of diseases of the nervous system) Bonn: Cohen, 1892

Die Ophthalmoskopie in der inneren Medizin (Frank Deuticke, Leipzig und Wien, 1893)

Syphilis und Nervensystem (Syphilis and the nervous system) Berlin: Karger, 1893

Epilepsie (Epilepsy and other chronic convulsive diseases); Deuticke, Leipzig, 1902

Das Grenzgebiet der Epilepsie (The borderland of epilepsy); Deuticke, Leipzig 1908