50 shades of brain > 36 Von Economo-Neurone (VENs)

Von Economo-Neurone (Spindelneurone, VENs)

Es handelt sich um große, bipolare Neurone, die erstmals von Economo identifiziert wurden. Sie befinden sich in der fünften Schicht des vorderen (anterioren) zingulären und des fronto-insularen Cortex. Sie sind etwa viermal so groß wie die eh schon großen Pyramidenzellen und haben im Unterschied zu ihnen nur einen einzigen an der Basis gelegenen Dendriten. VENs finden sich nur in Hirnarealen, die mit der Kognition befasst sind (also bei Menschen und einigen hoch entwickelten Säugetieren).

VENs spielen möglicherweise eine große Rolle bei Empathie und Selbstwahrnehmung. Unlängst wurden sie auch bei Makaken gefunden.

Dazu passt folgende Veröffentlichung

Seltene Nervenzellen in Affen gefunden

Dr. Henry Evrard und seine Forschung finden Sie auf den Seiten des MPI für biologische Kybernetik.

Tübinger Wissenschaftler entdecken Nervenzellen in Affen, die Anhaltspunkte zur menschlichen Selbstwahrnehmung liefern könnten. 21. Mai 2012

Die anteriore Insula ist eine kleine Region im menschlichen Gehirn, die eine entscheidende Rolle beim menschlichen Selbst-Bewusstsein und bei neuropsychologischen Erkrankungen spielt. Dort befindet sich ein spezieller Zelltyp: die Spindelneuronen oder von Economo-Neuronen. Lange wurde angenommen, dass diese nur in Menschen, Menschenaffen, Walen und Elefanten vorkommen. Henry Evrard (keine Daten…) und sein Team aus der Abteilung Physiologie kognitiver Prozesse unter der Leitung von Nikos Logothetis (* 5. November 1950 in Istanbul, Türkei) ist ein griechischer Biologe und Neurowissenschaftler…). vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen haben nun auch Spindelneurone in Makaken entdeckt. Form, Größe und Verteilung der Zellen deuten darauf hin, dass diese Affenzellen entwicklungsgeschichtlich den menschlichen Spindelneuronen entsprechen. Mit diesen Ergebnissen könnten die Forscher die Funktion dieser Zellen und der Gehirnregion entschlüsseln, die entscheidend an der menschlichen Wahrnehmung und Erkrankungen, wie Autismus und Demenz, beteiligt sind.

Der Cortex insularis – oder einfach die Inselrinde oder Insula – ist ein kleiner, eingesenkter Teil der Großhirnrinde mitten im Gehirn. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass die Insula für die menschliche Selbstwahrnehmung wichtig ist. Die Funktionen der Insula umfassen Wahrnehmung, motorische Kontrolle, Selbst-Bewusstsein, geistige Vitalität und zwischenmenschlichen Erfahrungen. Vor allem der vordere Teil, die anteriore Insula, ist an empathischen Fähigkeiten und Emotionsempfindungen beteiligt. Hier empfinden Menschen Gefühle wie Liebe, Hass, Zurückweisung, Selbstsicherheit oder Scham.

Im Zusammenhang mit diesen Gefühlen spielt die anteriore Insula bei versch. Psychopathologien eine Rolle. Eine Verletzung der Inselrinde führt zu Apathie und der Unfähigkeit, selbst Gefühle zu empfinden oder die Gefühle im Gesicht anderer zu erkennen. Diese Invalidität, zusammen mit Veränderungen der Insel, wurde auch bei Patienten mit Autismus oder anderen neuropsychiatrischen Störungen, einschließlich der Verhaltensvariante frontotemporale Demenz, entdeckt.

Bis vor kurzem wurde angenommen, dass Spindelneuronen nur in Menschen, Menschenaffen und anderen Säugetieren mit ausgeprägtem Sozialverhalten wie Walen und Elefanten vorkommen.

Bei neuropsychologischen Erkrankungen in Verbindung mit dem Verlust der Gefühle, wie Autismus oder Demenz, verändert sich die Anzahl dieser Nervenzellen. Henry Evrard und sein Team am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen haben nun auch Von Economo-Neuronen in Makaken gefunden. Diese Affen besitzen also zumindest eine Ur-Form der menschlichen Von Economo-Neuronen, obwohl sie nicht über die Fähigkeit verfügen, sich selbst im Spiegel zu erkennen oder andere Kennzeichen von Selbst-Bewusstsein zu zeigen.

„Das bedeutet, anders als bisher angenommen, dass dichte Von Economo-Neuronen-Populationen nicht nur bei Menschen und Menschenaffen auftreten, sondern auch bei anderen Primatenarten“, erklärt Henry Evrard. „Die Entwicklungsgeschichte dieser Zellen muss neu überdacht werden. Am wichtigsten ist jedoch, dass wir nun die Funktionsweise dieser besonderen Zellen und ihre Verbindung mit anderen Hirnregionen analysieren können.“ Die Funktionen der Von Economo-Neuronen und ihre Verbindungen in andere Hirnregionen in Affen könnten Anhaltspunkte zur evolutionären Entwicklung der anatomischen Strukturen geben, die für die menschliche Selbstwahrnehmung verantwortlich sind. Auch könnten sie zu einem besseren Verständnis für neuropsychiatrische Behinderungen einschließlich Autismus oder auch Suchterkrankungen wie Rauchen oder Drogenmissbrauch beitragen.

Quellen, Veröffentlichungen & Literatur

Originalveröffentlichung

Henry C. Evrard, Thomas Forro, Nikos K. Logothetis: Von Economo Neurons in the Anterior Insula of the Macaque Monkey (Neuron 74(3). doi: 10.1016

Und auch folgende Artikel gehören zu diesem Thema

Brain Cells for Socializing

By Ingfei Chen, Smithsonian Magazine June 2009 | Subscribe

Hilft eine obskure Nervenzelle zu erklären, was Gorillas, Elefanten, Wale – und Menschen – gemeinsam haben?

(Übersetzung: jols…)

John Allman (mit Kollegin Atiya Hakeem bei Caltech (Das California Institute of Technology, Technische Hochschule Kaliforniens, besser bekannt als Caltech, ist eine private Eliteuniversität in Pasadena im Los Angeles County, die auf Natur- und Ingenieurwissenschaften spezialisiert ist – wiki),  die Elefantenhirnproben untersucht) ist auf der Suche nach einem der biologischen Schlüssel für menschliches Verhalten. (Aaron Huey)

Es gab kaum eine Chance, den Elefanten im Raum zu übersehen. Etwa 12 Jahre nach Simbas Tod im Cleveland Metroparks Zoo wurde vor John Allman (noch keine Daten…), einem Neurowissenschaftler am California Institute of Technology in Pasadena, eine halbzollgroße Platte ihres gelblichen, faltigen, Basketball-großen Gehirns ausgelegt.

Konserviert in Formaldehyd, sah es aus wie ein halber Pfannkuchen, festgefroren auf einem dampfenden Bett aus Trockeneis. Allman schnitt es sorgfältig mit dem Laboräquivalent eines Feinkostschneiders in Scheiben. In gut einer Stunde schnitzte er 136 papierdünne Abschnitte ab.

Allman war auf der Suche nach einer eigenartigen Art von Gehirnzellen, von der er vermutet, dass sie ein Schlüssel dafür ist, wie es dem afrikanischen Elefanten – wie einem Mensch – gelingt, sich auf die sich ständig verändernden Nuancen des sozialen Zusammenspiels ein zu lassen. Diese spindelförmigen Gehirnzellen, genannt „von Economo Neurone“ – benannt nach dem Mann, der sie zuerst beschrieb – sind nur bei Menschen, Menschenaffen und einer Handvoll anderer besonders geselliger Kreaturen zu finden. Allman, 66, vergleicht die Gehirne von Menschen und anderen Tieren, um Einblicke in die Evolution menschlichen Verhaltens zu gewinnen.

„Die Neurowissenschaft scheint wirklich zurückhaltend zu sein, sich der Frage zu nähern, was es mit unserem Gehirn auf sich hat, die uns menschlich macht, und John tut genau das“, sagt Todd Preuss, Neuroanatom und Anthropologe am Yerkes National Primate Research Center in Atlanta. „Wir wissen sehr, sehr wenig darüber, wie sich unser Gehirn von anderen Tieren unterscheidet, außer dass unser Gehirn größer ist.“

Die von Economo Neuronen sind die auffälligsten Befunde der letzten Jahre in der vergleichenden Hirnforschung, in der Wissenschaftler feine Unterschiede zwischen den Arten herauskitzeln. Der Neuroanatom Patrick Hof und seine Kollegen von der Mount Sinai School of Medicine in Manhattan stolperten erstmals 1995 über die Neuronen menschlicher Gehirnproben, in einer Region, die sich an der Vorderseite des Gehirns befindet, die sich vorderer zingulärer Cortex nennt. Die meisten Neuronen haben kegel- oder sternförmige Körper mit mehreren verzweigten Fortsätzen, den sogenannten Dendriten, die Signale von benachbarten Zellen empfangen. Aber von- Economo-Neuronen sind dünn und langgestreckt, mit nur einem Dendrit an jedem Ende. Sie sind viermal größer als die meisten anderen Gehirnzellen, und selbst bei Arten, die diese Zellen haben, sind sie selten.

Das Manhattan-Team, so stellte sich heraus, hatte einen obskuren Zelltyp wiederentdeckt, der erstmals 1881 identifiziert wurde. Hof benannte die Zellen nach dem Wiener Anatomen Constantin von Economo, der 1926 die Neuronen im menschlichen Gehirn genau beschrieb; danach gerieten die Zellen in Vergessenheit. Hof begann, in den Gehirnen von verstorbenen Primaten zu suchen, darunter Makakenaffen und Menschenaffen – Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang-Utans –, die von Zoos und Friedhöfen stammten. Er kontaktierte Allman, der eine Sammlung von Primatenhirnen hatte, und bat ihn, mit ihm zusammenzuarbeiten. 1999 berichteten die Wissenschaftler, dass alle Menschenaffen von-Economo-Zellen hatten, aber kleinere Primaten, wie Makaken, Lemuren und Tarsier, nicht. Das bedeutete, dass sich die Neuronen vor etwa 13 Millionen Jahren in einem gemeinsamen Vorfahren aller Menschenaffen entwickelten, nachdem sie sich von anderen Primaten trennten, aber lange bevor die menschlichen und Schimpansen-Linien vor etwa sechs Millionen Jahren voneinander abzweigten.

Obwohl Allman als Neuroanatom bekannt ist, ist es nicht verwunderlich, dass er sich mit größeren Fragen beschäftigt, was es bedeutet, Mensch zu sein. Seine Doktorarbeit an der Universität von Chicago machte er in der Anthropologie, und er war schon lange fasziniert davon, wie sich das Primatenhirn entwickelt hat. Er führte mit seinem Kollegen Jon Kaas wegweisende Studien durch und identifizierte die Teile des Eulenaffenhirns, die visuelle Informationen analysieren und das Sehen ermöglichen. 1974 wechselte Allman nach Caltech, wo er 25 Jahre lang den Sehsinn studierte. Aber es hat ihn auch gereizt, aufzudecken, wie die grundlegenden Funktionsweisen des menschlichen Gehirns das soziale Verhalten prägen. Die von Economo Neuronen zogen sofort sein Interesse auf sich.

Allman, der geschieden ist, lebt in einem 150 Jahre alten Backsteinhaus in San Marino, das er mit zwei australischen Schäferhunden, Luna und Lunita, teilt. Sepiafarbene Fotografien seiner suffragetten Großmutter hängen an der Wohnzimmerwand. Als notorischer Nachtmensch („notoriously nocturnal“), wie Allman es ausdrückt, kommt er selten vor 13 Uhr ins Labor, geht abends nach Hause, um dort weiterzuarbeiten und bleibt in der Regel bis 2 Uhr morgens wach. Sein Caltech-Büro ist schwach durch ein einziges Fenster und eine kleine Schreibtischlampe beleuchtet; es sieht aus wie eine Höhle mit Büchern und Papieren (ich weiss schon, es sind Zeitschriftenartikel…) überfüllt. Unten in der Halle liegen Objektträger (Glasscheiben – von Microsoft mit  „Glasrutschen“ übersetzt – mei ist das süss…) mit Gorilla-, Bonobo- und Elefantenhirngewebe, blau und braun gebeizt, zum Trocknen auf Tischen und Theken.

Sepia-toned photographs of his suffragist grandmother hang on the living room wall. Being „notoriously nocturnal,“ as Allman puts it, he rarely gets to the lab before 1 p.m., leaves in the evening to continue working at home and usually stays up until 2 a.m. His Caltech office is dimly lit by a single window and a small desk lamp; it looks like a cave overrun with books and papers. Down the hall, glass slides of gorilla, bonobo and elephant brain tissue, stained blue and brown, lie drying on tables and counters.

(ich habe das auf Englisch so stehen lassen, weil es von der hohen literarischen Qualität des Reporters zeugt…)

Aus Economos Arbeit erfuhr Allman, dass die ungewöhnlichen Zellen nur im vorderen zingulären Cortex (ACC) und einer weiteren Nische des menschlichen Gehirns, der frontalen Insula (FI), vorzukommen schienen. Hirn-Scanning-Studien haben ergeben, dass ACC und FI besonders aktiv sind, wenn Menschen Emotionen erleben. Beide Bereiche scheinen auch wichtig für die „Selbstüberwachung“ zu sein, wie das Erkennen körperlicher Gefühle von Schmerz und Hunger oder das Erkennen, dass man einen Fehler gemacht hat. Der ACC scheint im Großen und Ganzen an fast jeder geistigen oder körperlichen Anstrengung beteiligt zu sein.

Im Gegensatz dazu kann die frontale Insel eine spezifischere Rolle bei der Erzeugung sozialer Emotionen wie Empathie, Vertrauen, Schuld, Peinlichkeit, Liebe spielen – sogar ein Sinn für Humor. Nach Experimenten, die die Funktionsweise verschiedener Hirnregionen messen, wird dieser Bereich aktiv, wenn eine Mutter zum Beispiel ein weinendes Baby hört oder wenn jemand ein Gesicht durchforscht, um die Absichten der anderen Person zu erkennen. Das FI wird tätig, wo das Gehirn kontrolliert (monitort) und reagiert auf „gute Gefühle“ von körperlichen Empfindungen oder Interaktionen in einem sozialen Netzwerk, sagt Allman. Es ist die Verbindung zwischen Selbstkontrolle (Selbstbewusstsein?) und Bewusstsein für andere, die es uns ermöglicht, die Gefühle anderer Menschen zu verstehen. „Der Grundgedanke, den ich vorfinde“, sagt er, „ist die Vorstellung, dass Selbst- und Sozialbewusstsein Teil derselben Funktion sind, und die von-Economo-Zellen sind Teil davon.“

Allman glaubt, dass die Neuronen die Kommunikation vom ACC und FI zum Rest des Gehirns beschleunigen. Die Zellen sind ungewöhnlich groß, und im Nervensystem korreliert die Größe oft mit Geschwindigkeit. „Es sind große Neuronen, die meiner Meinung nach sehr schnell Daten auslesen und diese Informationen dann schnell an einen anderen Ort weiterleiten“, sagt er. Er spekuliert, dass unsere Primatenvorfahren, während sie immer größere Gehirne entwickelten, Hochgeschwindigkeitsverbindungen benötigten, um Nachrichten über größere Entfernungen zu senden. „Große Gehirngröße bringt zwangsläufig eine Verlangsamung der Kommunikation im Gehirn mit sich“, fügt er hinzu. „Eine Möglichkeit, damit umzugehen, ist also, ein paar spezialisierte Populationen von Zellen zu haben, die ziemlich schnell sind.“

Angesichts der Tatsache, dass die Neuronen in den „sozialen Brennpunkten des Gehirns“ vorkommen, theoretisiert Allman, dass das von-Economo-Zellsystem eine schnelle, intuitive Auslese von emotional aufgeladenen, flüchtigen Situationen ermöglicht. Die Neuronen „würden es ermöglichen, sich schnell an sich verändernde gesellschaftliche Kontexte anzupassen“, spekuliert er. In der Vergangenheit könnte diese neuronale Verdrahtung unseren Vorfahren einen Überlebensvorteil verliehen haben, indem sie es ihnen ermöglicht hat, genaue, sekundenschnelle Urteile zu fällen, insbesondere darüber, wem sie vertrauen konnten oder nicht.

Allman, Hof und ihre Kollegen haben bei mehr als 100 Tierarten, vom Faultier bis zum Platypus (Schnabeltier), nach Von Economo Neuronen gesucht. Nur wenige von ihnen, außer Primaten und Elefanten, haben diese Zellen: Buckelwale, Pottwale, Finnwale, Orcas und Flaschennasendelfine. Die Zellen entwickelten sich vermutlich in inzwischen ausgestorbenen Arten, die vor etwa 35 Millionen Jahren diese (genannten) Meeressäuger hervorbrachten.

Als ich ihm dabei zusah, wie er das Elefantenhirn bei Caltech sezierte, erreichte Allman mit seinen Kollegen Atiya Hakeem und Virginie Goubert schließlich die FI von Simbas linker Hemisphäre. Drei Tage später ergab die mikroskopische Untersuchung der Hirnscheiben, dass sie mit den markanten spindelförmigen Zellen übersät war. Das bestätigte ihre vorherige Sichtung ähnlicher Neuronen in der FI der rechten Hemisphäre von Simba. Die Elefantenzellen sind größer als die von Menschen und Primaten, etwa so groß wie Walneuronen, aber Größe und Form sind unverkennbar von Economo-Neuronen.

Aus der Zählung der von Economo-Zellen auf 16 Objektträgern – eine stumpfsinnige Routinearbeit („ Augen-verglasung“ übersetzt Microsoft…) – schätzen Hakeem und Allman, dass sich etwa 10.000 von ihnen in der briefmarkengroßen FI auf der rechten Seite des Elefantenhirns befinden, oder etwa 0,8 Prozent der 1,3 Millionen Neuronen des FI. Von-Economo-Neuronen kommen reichlicher in der menschlichen FI vor, durchschnittlich etwa 193.000 Zellen (warum sagt er nicht gleich ungefähr 200.000…) und machen etwa 1,25 (1%) Prozent aller Neuronen dort aus. In absoluten Zahlen hat das menschliche Gehirn etwa eine halbe Million von Economo-Neuronen, weit mehr als das Gehirn von Elefanten, Walen oder Menschenaffen. Allman und seine Kollegen haben in der nächsten Verwandtschaft des Elefanten, also den Ameisenbären, Gürteltier und dem Fels-Schliefer keine gefunden: Die Abwesenheit der Zellen in diesen Arten unterstützt Allmans Theorie, dass die Neuronen ein Merkmal großer Gehirne sind.

Allman spekuliert, dass sich solche Zellen leicht aus einer kleinen Anzahl von Neuronen im insularen Kortex entwickelt haben könnten, die in allen Säugetieren gefunden werden und dort den Appetit regulieren. Er glaubt, dass, während von Economo-Zellen entwickelt wurden, um Informationen in einem großes Gehirn zu beschleunigen, mitbenutzt (kooptiert) wurden, um die Anforderungen der sozialen Interaktionen zu bewältigen zu können. Wenn er Recht hat, könnten kluge, soziale Tiere wie Wale und Elefanten die gleiche spezialisierte Verkabelung für Empathie und soziale Intelligenz haben wie Menschen.

Wale und Elefanten haben wie Menschen und Menschenaffen große Gehirne und eine verlängerte Kindheit und Jugend, in der sie von ihren Eltern lernen. Sie erkennen sich gegenseitig und entwickeln lebenslange kooperative Beziehungen. Killerwale jagen in Gruppen und schützen verletzte Kameraden. Die Elefantengesellschaft wird geleitet von Matriarchinnen, die ihre Herden zu Wasserslöchern führen, die sie von früheren Besuchen kennen. (Und der Glaube, dass Elefanten nie vergessen, mag in gewisser Weise zutreffen: Als Allman, Hof und Hakeem 2005 das erste hochauflösende 3-D-Bild eines Elefantenhirns machten, fanden sie einen riesigen Hippokampus, der Hirnregion, in der Erinnerungen gebildet werden. Die sensiblen Tiere identifizieren sich durch ihr Gepolter und Trompeten, kommen einander zu Hilfe und scheinen um ihre Toten zu trauern.

Allman zeigt gerne einen Film Clip aus einer Dokumentation über eine Gruppe afrikanischer Elefanten, die ein verwaistes Kalb adoptiert haben. Als das Elefantenbaby in ein Wasserloch fällt, marschiert die Matriarchin schnell herbei, gefolgt von den anderen. Gemeinsam nutzte sie und ein zweites Weibchen ihre Stoßzähne, Rüssel und Beine, um das Kalb aus dem Dreck zu befreien. Ein anderes Tier bildete  mit seinem Fuß an einem Steilufer eine Rampe, auf der das Kleine  in Sicherheit klettern konnte. „Es ist wirklich bemerkenswert“, sagt Allman, wie schnell die Elefanten die Krise bewältigen konnten und zusammenarbeiteten, um das Baby zu retten. „Zu dieser hohen Leistung sind nur sehr wenige Tiere imstande“ und, fügt er lachend hinzu, „Menschen können das nur an guten Tagen.“ Die Rettung, sagt er, „fängt die Essenz eines wirklich komplexen, koordinierten Sozialverhaltens ein.“

Die Idee der zentralen Funktion dieser Neuronen für die soziale Intelligenz gewinnt an Boden. Yerkes Primatologe Frans de Waal sagt, dass Allmans „extrem spannende“ Forschung mit einigen seiner eigenen Untersuchungen über die Intelligenz der Dickhäuter übereinstimmt. Vor zwei Jahren berichteten de Waal und zwei Mitarbeiter, dass sich ein Elefant namens Happy im Bronx Zoo in einem Spiegel wiedererkennen konnte. Einige Wissenschaftler nehmen an, dass die Fähigkeit, das eigene Spiegelbild zu erkennen, die Fähigkeit zur Selbst-Erkenntnis und sogar zur Empathie – nützliche Fähigkeiten einer hochsozialen Spezies – zeige. De Waal weist darauf hin, dass nur Tiere, die von Economo Neuronen haben, dies tun können.

Doch de Waal warnt auch: „Bis jemand die genaue Funktion dieser Zellen kennt, bleibt es im Grunde nur eine Geschichte.“

Allmans Gedanken über von- Economo-Zellen entwickeln sich noch. Wenn neue Daten dazukommen, verwirft er erste Konzepte und integriert andere. Im Gegensatz zu dem stereotypen vorsichtigen Wissenschaftler zögert er nicht, kühne Hypothesen auf der Grundlage einiger Beobachtungen vorzubringen. Die Theorie, dass von Economo-Neuronen der sozialen Kognition zugrunde liegen, ist kühn. Und es ist verlockend, die Zellen als einfache Erklärung für die Grundlage der komplexen sozialen Natur unserer Spezies zu sehen. Aber Allman weiß, dass das noch ein weiter Weg ist.

Seine Theorie hat ihre Skeptiker. Der Anthropologe Terrence Deacon von der University of California in Berkeley fragt sich, ob die Neuronen wirklich eine andere Art von Gehirnzellen sind oder einfach eine Variation, die in großen Gehirnen entsteht. Er sagt, dass die Unterschiede in unserem Gehirn, die uns menschlich machen, eher durch groß angelegte Veränderungen entstanden sind als durch subtile Veränderungen in der Neuronenform. „Ich glaube nicht, dass es ein sehr großer Teil der Geschichte ist“, sagt er über Allmans Idee. Doch, fügt er hinzu, wenn es um das Verständnis des menschlichen Gehirns geht, „solange wir erkennen, dass wir so wenig Fortschritte machen, sollten unter diesen Umständen alle Hypothesen aufrechterhalten werden.“ Verstanden. Aber es ist schwer, sich nicht von Allmans Theorie verführen zu lassen, wenn einige der überzeugendsten Beweise nicht aus dem Tierpathologielabor, sondern aus der medizinischen Klinik stammen.

William Seeley, Neurologe an der University of California in San Francisco, untersucht eine schlecht verstandene neurodegenerative Erkrankung namens frontotemporale Demenz. Die Patienten erleiden einen Zerfall ihres Charakters, verlieren ihre gesellschaftlichen Umgangsformen (soziale Gnaden lt Microsoft…) und Empathie, werden unsensibel, unberechenbar und unverantwortlich. Ehen und Karrieren zerbrechen. Vielen Patienten scheint es an physischer Selbst-Erkenntnis zu fehlen: Wenn andere Krankheiten diagnostiziert werden, leugnen sie, irgendwelche Probleme zu haben. Hirnbildstudien an Patienten mit dieser Demenz haben Schäden in frontalen Bereichen des Gehirns aufgedeckt.

2004 hörte Seeley Allman-Vorlesungen über von-Economo- Neuronen. Als Allman durch seine PowerPoint-Folien klickte, sah Seeley, dass die Zellen in den gleichen Hirnregionen gruppiert waren, die die Demenz angezeigt hatten, dem ACC und dem FI. „Es war so etwas wie Eureka“, erinnert sich Seeley. Er dachte, die Zellen könnten den Forschern helfen, herauszufinden, warum diese Gebiete so anfällig für Schädigungen (vulnerabel) waren. „Außerdem dachte ich, was für eine interessante Art, etwas über die menschliche Natur zu lernen. Vielleicht liegen die Defizite, die Patienten entwickeln, in Dingen, die einzigartig menschlich sind. Es gab also eine große Ideenflut.“ Danach vereinbarten Seeley und Allman bei einem Kaffee, sich zusammenzutun, um herauszufinden, ob von- Economo- Neuronen bei Menschen mit frontotemporaler Demenz geschädigt wurden. Bei der Analyse von Gehirnen verstorbener Patienten entdeckten die Wissenschaftler, dass tatsächlich etwa 70 Prozent der von Economo-Neuronen im ACC zerstört worden waren, während benachbarte Gehirnzellen weitgehend unbetroffen waren. „Es ist sehr klar, dass das Angriffsziel der Krankheit diese Zellen sind, und wenn sie diese Zellen zerstören, bekommt man den ganzen Zusammenbruch der sozialen Funktion“, sagt Allman. „Das ist ein wirklich erstaunliches Ergebnis, das für die Funktion dieser Zellen so klar wie irgend möglich spricht.“

Dieses ungewöhnliche neuronale System scheint dem zugrunde zu liegen, was uns menschlich macht. Aber die Tatsache, dass Elefanten und Wale anscheinend die gleiche neuronale Hardware teilen, öffnet den Geist zu einem Perspektivenwechsel: Unser Gehirn könnte dem anderer intelligenter, sozialer Tiere ähnlicher sein, als wir dachten.

Ingfei Chen lives in Santa Cruz, California.

Allman, J.M., Hakeem, Erwin, J.M., Nimchinsky, E., and Hof, P. (2001). The anterior cingulate cortex. The evolution of an interface between emotion and cognition. Ann. N. Y. Acad. Sci. 935, 107–117

Allman, J.M., Watson, K.K., Tetreault, N., and Hakeem, A.Y. (2005). Intuition and autism: A possible role for Von Economo neurons. Trends Cogn. Sci. 9, 367–373

Allman, J.M., Tetreault, N.A., Hakeem, A.Y., Manaye, K.F., Semendeferi, K., Erwin, J.M., Park, S., Goubert, V., and Hof, P.R. (2010). The von Economo neurons in frontoinsular and anterior cingulate cortex in great apes and humans. Brain Struct. Funct. 214, 495–517

Zugabe: Patrick R. Hof

Brief Bio

Dr Hof is Regenstreif Professor in the Nash Family Department of Neuroscience at the Icahn School of Medicine at Mount Sinai (ISMMS) where he directs the Glickenhaus Center for Successful Aging and co-founded the Computational Neurobiology and Imaging Center. He also is Associate Director of the ISMMS Alzheimer’s Disease Research Center. He is internationally recognized for his work in quantitative neuropathology of normal aging and dementia. He is the author of more than 480 papers in human and comparative neuroanatomy. Dr Hof also served from 2007 to 2013 as Chair of the Scientific Advisory Board, Human Brain Mapping Project, for the Allen Institute for Brain Science, Seattle. In 2012, he became Editor-in-Chief of the Journal of Comparative Neurology, the oldest neuroscience journal continuously published. His research is directed towards the study of selective neuronal vulnerability in neuropsychiatric illnesses using classical neuropathological as well as modern quantitative cell biology methods. All on-going projects in his laboratory are relevant to clinical/translational research and are aiming at developing quantitative, detailed, and cohesive definition of neuronal susceptibility to degeneration in the cerebral cortex, by extending data on Alzheimer’s disease to other neurologic and psychiatric disorders, as well as relevant animal models, and by defining the key neurochemical and morphological characteristics linked to relative vulnerability (or resistance to degeneration) of identified neuronal populations at multiple levels of resolution. Dr Hof has extensive expertise in neurostereology, morphometry, and comparative brain anatomy. He has published histologic and MR microscopy mouse brain atlases and is one of the leaders in the development of software that provide automatic 3D high-resolution reconstruction of neuronal morphologies and analysis of their morphometric characteristics.

Eigentlich könnten Sie sich das mittlerweile auch selbst übersetzen (nehmen Sie den Microsoft Übersetzer, dann liest sich das ganze so….)

Dr. Hof ist Regenstreif Professor am Nash Family Department of Neuroscience an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai (ISMMS), wo er das Glickenhaus Center for Successful Aging leitet und das Computational Neurobiology and Imaging Center mitbegründet hat. Er ist auch Associate Director des ISMMS Alzheimer Disease Research Center.

Er ist international bekannt für seine Arbeit in der quantitativen Neuropathologie des normalen Alterns und Demenz. Er ist Autor von mehr als 480 Arbeiten über menschliche und vergleichende Neuroanatomie. Dr. Hof war von 2007 bis 2013 Vorsitzender des Scientific Advisory Board, Human Brain Mapping Project, für das Allen Institute for Brain Science, Seattle. 2012 wurde er Chefredakteur des Journal of Comparative Neurology, der ältesten neurowissenschaftlichen Zeitschrift, die kontinuierlich veröffentlicht wurde.

Seine Forschung ist auf die Untersuchung der selektiven neuronalen Verletzlichkeit bei neuropsychiatrischen Erkrankungen mit klassischen neuropathologischen sowie modernen quantitativen Zellbiologiemethoden ausgerichtet. Alle laufenden Projekte in seinem Labor sind für die klinische/translationale Forschung relevant und zielen darauf ab, eine quantitative, detaillierte und kohäsive Definition der neuronalen Anfälligkeit für Degeneration in der Großhirnrinde zu entwickeln, indem die Daten über Alzheimer-Krankheit zu anderen neurologischen und psychiatrischen Störungen sowie relevanten Tiermodellen und durch die Definition der wichtigsten neurochemischen und morphologischen Merkmale, die mit der relativen Anfälligkeit (oder Resistenz gegen Degeneration) identifizierter neuronale Populationen auf mehreren Ebenen der Auflösung.

Dr. Hof verfügt über umfangreiche Sanitologie (sagen wir Neurostereologie), Morphometrie und vergleichende Hirnanatomie. Er hat histologische und MR-Mikroskopie-Maus-Gehirnatlanten veröffentlicht und ist einer der führenden In-Leader in der Entwicklung von Software, die automatische 3D-Hochauflösende Rekonstruktion von neuronalen Morphologien und Analyse ihrer morphometrischen Eigenschaften bieten.

(soo schlecht ist das doch gar nicht…)

Ich finde allerdings keinen Hinweis, dass er die von Economo  Neuronen benamst hat, wie im Artikel behauptet.

Und auch das noch:

Wie unsere Gehirne Erinnerungen machen(How Our Brains Make Memories)

Ein bestimmter Nervenzelltyp verursacht möglicherweise zu starke Gefühle

Forschergruppe untersucht die Bedeutung des „von Economo Neurons“

RUB-Neurowissenschaftler veröffentlichen Ergebnisse im Fachmagazin PLoS One

Gibt es einen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Nervenzelltyp (dem „von Economo Neuron“) im Limbischen System des Gehirns und sehr starken Emotionen, die letztlich sogar zu Selbstmord führen können? Dieser spannenden Frage widmet sich ein Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum. Zu ihm gehören Wissenschaftler des LWL-Universitätsklinikums Bochum und des Instituts für Neuroanatomie (Medizinische Fakultät der RUB). Erste Ergebnisse haben die Forscher im Fachmagazin PLoS One veröffentlicht.

Wichtige Schnittstelle bei der Verarbeitung komplexer Emotionen

Im Fokus der Forschung steht der anteriore cinguläre Cortex (ACC), eine phylogenetisch alte Struktur des Gehirns, die dem Limbischen System zugerechnet wird. Der ACC ist eine wichtige Schnittstelle bei der Verarbeitung komplexer Emotionen wie Scham, Schuld oder Unfairness, bei der Entscheidungsfindung und bei der Einfühlung (Empathie) und Verarbeitung körperlicher und seelischer Schmerzen. Anatomische und funktionell-bildgebende Untersuchungen mittels Kernspintomografie haben gezeigt, dass der ACC bei psychotischen Erkrankungen wie etwa Schizophrenien und bipolaren Störungen betroffen ist. Vergleichende Untersuchungen beim Menschen und bei anderen Primaten haben ergeben, dass sich im ACC (und der vorderen Inselregion) ein besonderer Zelltyp wiederfindet, der nach ihrem Erstbeschreiber „von Economo Neuron“ genannt wird. Diese Zellen haben im Laufe der menschlichen Evolution an Größe und Zahl zugenommen. Interessanterweise finden sich die Zellen auch bei Walen und Elefanten – Tierarten, die ebenfalls in hoch komplexen Sozialstrukturen leben. Obwohl die genaue Funktion dieser Nervenzellen nicht bekannt ist, ist angesichts ihrer Lokalisation und Evolutionsgeschichte anzunehmen, dass sie an der Verarbeitung komplexer Informationen einschließlich emotionaler Vorgänge beteiligt sind.

Erhöhte Dichte der von Economo Neurone

Untersuchungen an Gehirnen von Patienten mit psychischen Erkrankungen wie Autismus, Schizophrenien und Demenz haben gezeigt, dass diese Zellen in Größe und Dichte im ACC verändert sein können. Dies fügt sich ein in das vorläufige Bild, das sich Forscher bezüglich der Funktion der „von Economo Neurone“ machen, da bei den genannten Erkrankungen die Verarbeitung komplexer Gefühle, das Mitgefühl mit Anderen und die Entscheidungsfindung häufig beeinträchtigt sind. In ihrer kürzlich im Fachmagazin „Public Library of Science One“ (PLoS One) veröffentlichten Studie konnten die Bochumer Forscher zeigen, dass bei Menschen mit psychischen Erkrankungen, die an Suizid verstarben, die Dichte der „VENs“ im ACC im Vergleich zu Menschen, die durch andere Ursachen verstarben, erhöht ist. Dieser Befund könnte die Bedeutung der „VENs“ in der Verarbeitung von Emotionen stärken. Die Fähigkeit zur Wahrnehmung komplexer Gefühle wie Scham, Schuld, Fairness und Empathie für Andere ist zweifellos bedeutsam für das menschliche Miteinander. Unter ungünstigen Umständen kann diese Sensibilität für starke Emotionen aber auch dazu führen, dass die betroffenen Menschen Suizid begehen. „Wenngleich diese Interpretation der Zusammenhänge teilweise spekulativ ist und wir keineswegs den Eindruck erwecken wollen, dass ein derart komplexes Geschehen wie Suizid auf die Funktionsweise eines einzelnen Nervenzelltyps zurückgeführt werden kann, so kann die Forschung auf diesem Gebiet doch dazu beitragen[JLS1] , die neurobiologischen Grundlagen dieser Vorgänge besser verstehen zu lernen“, erklärt Prof. Martin Brüne, der die Studie initiiert hat. First Online: 21 November 2012

Zusammenfassung

Angesichts moderner neurowissenschaftlicher Erkenntnisse fällt es zunehmend schwer, komplexe Verhaltensänderungen losgelöst vom Zentralorgan Gehirn zu betrachten. Als wichtige zelluläre Kandidaten für eine tragende Rolle bei der Theory of Mind (s. Exkurs) lassen sich innerhalb bestimmter Hirnregionen sogar bestimmte Neuronentypen identifizieren: Spiegelneurone, von Economo-Neurone, magno- und parvozelluläre Neurone. Sie sind jeweils sehr unterschiedlich charakterisiert, und eine feste Funktionszuordnung erfolgt derzeit mit Vorbehalt.

Constantin Alexander Freiherr Economo von San Serff

(* 21. August 1876 in Brăila/Rumänien; † 21. Oktober 1931 in Wien)

war ein griech.-rumän.-österreich. Arzt, Psychiater und Neurologe des 19./20. JH.

Constantin Alexander Freiherr Economo von San Serff (1908)

Er wurde vor allem bekannt durch seine Beschreibung der „Economo-Enzephalitis“ (s.u.)

und seinen Atlas der Zytoarchitektonik des menschlichen Gehirns (s.u.).

Biographisches

Constantin Freiherr Economo von San Serff wurde in Brăila, Rumänien, geboren. Seine Eltern entstammten begüterten Familien aus Griechenland. Väterlicherseits stammte er aus einer Familie von Großgrundbesitzern aus Thessalien und mütterlicherseits ist er Nachfahre eines in Budapest niedergelassenen griechischen Industriellen aus Makedonien. Constantin von Economo war Mitglied der nicht-uniierten griechischen Kirchengemeinde in Wien.

Die Familie zog 1877 nach Triest, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte. Hier verbrachte Constantin Economo seine Kindheit und Jugend. Er war ein guter Schüler, besuchte in Triest das Deutsche Gymnasium und konnte verschiedene Sprachen flüssig sprechen. Seine Familie wurde 1906 geadelt, wodurch Economo den Titel „Freiherr“ erlangte.

Auf Wunsch seines Vaters nahm Constantin 1893 ein Technikstudium an der Polytechnischen Universität in Wien auf, wechselte aber nach zwei Jahren zu Medizin.

Seine erste wissenschaftliche Publikation wurde 1899 veröffentlicht mit dem Titel „Zur Entwicklung der Vogelhypophyse“.Von 1900 bis 1903 arbeitete er als Assistent bei Sigmund Exner (s.d.). 1901 wurde ihm der Doktorgrad verliehen. Von Economo hospitierte in der Klinik für Innere Medizin bei Carl Wilhelm Hermann Nothnagel (1841-1905) von 1903 bis 1904.

Anschließend unternahm er eine zweijährige Reise durch Europa und arbeitete bei versch. Wissenschaftlern. Er studierte Neurologie, Histologie und Psychiatrie in Paris unter Alexis Joffroy (1844-1908), Valentin Magnan (1835-1916) und Pierre Marie (1853-1940). In Nancy wurde er von Hippolyte Bernheim (1840-1919) in die Hypnose eingeführt, in Straßburg erhielt er Einblicke in Methoden mikroskopischen Arbeitens am Nervensystem (unter Albrecht Bethe, 1872-1954), in München schrieb er seinen Beitrag zu der normalen Anatomie der Ganglienzelle (unter Emil Kraepelin, 1856-1926 und Alois Alzheimer, 1864-1915). Er arbeitete in der Psychiatrie in Berlin unter Theodor Ziehen (1862-1950), in der neurologischen Ambulanz unter Hermann Oppenheim (1858-1919) und wurde in die experimentelle Tierforschung in Triest von Carl Isidor Cori (1865-1954) eingeführt.

Nach diesen zwei Jahren kehrte von Economo nach Wien zurück und arbeitete als Assistent des Nobelpreisträgers Julius Wagner-Jauregg (1857-1940) in der Klinik für Psychiatrie und Nervenkrankheiten im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) in Wien. 1913 wurde er habilitiert.

Im Alter von 43 Jahren heiratete von Economo Prinzessin Karoline von Schönburg-Hartenstein. 1921 wurde er Professor für Psychiatrie und Neurologie.

Die Klinik für Psychiatrie und Nervenkrankheiten war der Ort, an dem von Economo für den Rest seines Lebens forschen konnte. Er wurde jedoch erst 1931 Leiter der eigens für ihn neu eröffneten Abteilung für Hirnforschung. Von Economo konnte diese Einrichtung allerdings nur kurze Zeit nutzen, da er fünf Monate nach der Eröffnung verstarb.

Das AKH in Wien, Quelle:

Von Economo war nicht nur ein herausragender Wissenschaftler, sondern auch ein leidenschaftlicher Pilot. 1907 entwickelte er Interesse an der Aeronautik und am Ballonfliegen und wurde 1912 der erste Österreicher mit einem internationalen Pilotenzeugnis. Von 1910 bis 1926 war er Präsident des Österreichischen Aero-Klubs und Vorsitzender der Luftfahrtbehörde des Österreichischen Ministeriums für Verkehr und Transport.

Während des I. Weltkriegs diente er zuerst im Automobilkorps an der russischen Front, 1916 dann als Pilot an der Südtiroler Front. Im gleichen Jahr kehrte er (auf Wunsch seiner Eltern) nach Wien zurück, wo er als Militärarzt Patienten mit Kopfverletzungen behandelte. Hier erlebte er auch seine ersten Patienten mit Encephalitis lethargica.

1931 starb von Economo an den Folgen eines Herzinfarktes.

Auszeichnungen & Ehrungen

1932 wurde in Wien Favoriten (10. Bezirk) die Economogasse nach ihm benannt. 1966 wurde eine Büste im Arkadenhof der Universität in Wien aufgestellt. 1976 wurde eine österreichische Briefmarke herausgegeben.

Wissenschaftliches Werk

Von Economo hat ungefähr 150 Artikel und Bücher publiziert. In seinen früheren Studien befasste er sich mit der Neuroanatomie und Physiologie des Mesencephalons, des Pons und der zentralen Bahnen des N. trigeminus und schrieb Artikel über z. B. die posthemiplegische Chorea, Pons-Tumore und über den Schluck- und Kaureflex.

Exkurs: Encephalitis lethargica (Europäische Schlafkrankheit, lat. E. epidemica)

Es handelt sich dabei um eine Hirnstammenzephalitis bzw. Poly-Enzephalitis unklarer Ursache (Influenza-Viren?) an Mittel-, Zwischenhirn (auch Hypothalamus) u. Substantia nigra, die nach dem 1. Weltkrieg epidemisch, später nur noch endemisch auftrat.

Economo-Trias: Fieber, Schlafsucht, Hirnnervenlähmungen als Leitsymptome. Klinisch imponieren Schlafattacken oder schwere Somnolenz. 30 % der Fälle verlaufen akut letal. Postenzephalitisch führt die Erkrankung mit variabler Latenz zu einer schweren Parkinson-Symptomatik. (Pschy)

Diese Krankheit, bei der sich eine akute Entzündung der Großhirnrinde diagnostizieren lässt, trat weltweit als Epidemie zwischen 1915 und 1924 auf und betraf vor allem Europa und Nordamerika.

Von Economo beschrieb detailliert Symptome, Pathologie und Histologie der Krankheit, die bald „Economo-Krankheit“ genannt wurde. Unter anderem ließen sich Schäden in der Substantia Nigra feststellen.

Man konnte drei Typen der Krankheit unterscheiden. Der somnolent-ophthalmoplegische (schlafsüchtig-augenmuskellähmend) Typ äußerte sich in Schlafsucht, die oft zu Koma und schließlich zum Tod führte, Lähmung der Hirnnerven, der Extremitäten und der Augenmuskeln sowie in einem ausdruckslosen Gesicht.

Die hyperkinetische Form manifestierte sich in Rastlosigkeit, motorischen Störungen wie Zuckungen und unfreiwilligen Bewegungen, Angstzuständen sowie Schlaflosigkeit oder Umkehrung des Schlafrhythmus.

Die amyostatisch-akinetische Form nahm oft einen chronischen Verlauf, der der Parkinson-Krankheit ähnelte und deshalb auch postenzephalitischer Parkinsonismus genannt wurde. Symptome waren hier Muskelschwäche, steife Bewegungen und Schlaflosigkeit oder auch Umkehr des Schlafrhythmus.

Von Economo veröffentlichte seine Befunde unter anderem in einem Artikel von 1917: „Die Encephalitis lethargica“, und in der Monografie „Die Encephalitis lethargica, ihre Nachkrankheiten und ihre Behandlung“ (1929).

Seit 1940 ist diese Gehirnentzündung nicht mehr aufgetreten…

Diese Krankheit inspirierte von Economo auch, sich mit dem ThemaSchlaf zu beschäftigen. Er vermutete ein Schlafzentrum im Gehirn mit jeweils einem Wach- und einem Schlafzentrum.

Exkurs: Der Zellaufbau der Großhirnrinde nach Economo

Nach den ersten Versuchen, den menschlichen Cortex nach zytoarchitektonischen Gesichtspunkten zu unterteilen, wie es Theodor Meynert (s.d.), Wladimir Betz (s.d.), Alfred W. Campbell (1868-1937), Grafton Elliot Smith (1871-1937) und Korbinian Brodmann (s.d.) unternommen haben, begann von Economo sein eigenes Projekt im Jahre 1912 und wurde ab 1919 von dem griechischen Psychiater und Neurologen Georg N. Koskinas (1885-1975) dabei unterstützt.

Ihr monumentales Werk „Die Cytoarchitektonik der Hirnrinde des erwachsenen Menschen“ wurde 1925 veröffentlicht. Das Werk wurde in zwei Bänden publiziert, einem Textbuch von über 800 Seiten und einem Bilderatlas mit 112 großformatigen mikrofotografischen Platten des Cortex. Das Textbuch beinhaltet detaillierte Beschreibungen ihrer Studien und eine Einführung in die Geschichte der zytoarchitektonischen Forschung. Mit ihrem Atlas hofften Economo und Koskinas, eine Basis für zukünftige Hirnforschung und die Lokalisation von Hirnfunktionen zu bereiten, da sie annahmen, dass zyto-architektonische Unterschiede funktionale Unterschiede reflektieren. Der Atlas wurde 2008 neu aufgelegt.

Hintergrund & Insiderwissen

Economo und Koskinas unterteilten den Cortex cerebri in 7 Hirnlappen mit folgender Untergliederung:

Lobus frontalis (F) (Stirnlappen): 35 Areae

        Regio praerolandica: 10 Areae

        Regio frontalis: 9 Areae

        Regio orbitomedialis: 16 Areae

Lobus limbicus superior (L): 13 Areae

        Regio limbica superior anterior: 5 Areae

        Regio limbica superior posterior: 3 Areae

        Subregio retrosplenialis: 5 Areae

Lobus insulae (I) (Insellappen): 6 Areae

Lobus parietalis (P) (Scheitellappen): 18 Areae

        Regio postcentralis: 6 Areae

        Regio parietalis superior: 4 Areae

        Regio parietalis inferior: 5 Areae

        Regio parietalis basalis: 3 Areae

Lobus occipitalis (O) (Hinterhauptslappen): 7 Areae

Lobus temporalis (T) (Schläfenlappen): 14 Areae

        Regio supratemporalis: 5 Areae

        Regio temporalis propria: 2 Areae

        Regio fusiformis: 3 Areae

        Regio temporopolaris: 4 Areae

Lobus limbicus inferior/Lobus hippocampi (H): 14 Areae Des Weiteren prägte von Economo den Begriff „Progressive Zerebration“, also die geistige Evolution über Generationen hinweg, d.h. die Zunahme der Gehirnmasse und die Aneignung neuer „Denkorgane“ aufgrund von Differenzierung in kortikalen Gebieten. In diesem Zusammenhang war Economo an „Elitegehirnen“ interessiert.

Er hoffte dabei, mikrostrukturelle Charakteristiken zu finden, in denen sich diese Gehirne von „durchschnittlichen“ Gehirnen unterscheiden.

Quellen, Werke & Veröffentlichungen

C. Economo: Encephalitis lethargica (Wiener Klinische Wochenschrift. 30, 1917)

mit G. N. Koskinas C. Economo: Die Cytoarchitektonik der Hirnrinde des erwachsenen Menschen (Springer Verlag, Wien 1925)