50 shades of brain > 38 Das Ehrenritter-Müller-Ganglion

Ehrenritter – Ein schöner Name, nicht verwandt mit der  Süßspeise „armer Ritter“ In Altbayern und Österreich – gefüllt mit Zwetschgen, Powidl oder auch Hirn (!) – heißen sie Pavesen (mundartlich Bavesen, Bovesen… )

Ein Österreicher – über den man nichts weiss – und nichts mehr wissen wird…

Er gehört zu den wenigen Neuroforschern, über den ich nichts Näheres herausfand… Da man bereits um 1900 nicht mehr von ihm wusste, dürfte es schwer sein, ihn wiederzuentdecken…

Bei seinem Ganglion handelt es sich jedenfalls um eine Zellansammlung, wie wir ihr schon öfter begegnet sind. Diesmal sind die kleinen grauen Zellen des oberen Ganglions dem 9. Hirnnerven, also dem N. Glossopharyngeus zugeordnet.
Der Berge wachsend Eis, der Felsen steile Wände
Sind selbst zum Nutzen da und tränken das Gelände

38 Das Ehrenritter-Müller-Ganglion

So wenig man über Ehrenritter weiß, so viel weiß man über seine Ganglien…

Ehrenritter-(Müller-) Ganglion (das „obere Ganglion“, lat. G. superius oder auch rostralis)

Es handelt sich um eine Ansammlung von Nervenzellkörpern in der Schädelhöhle und stellt eine Umschaltstelle für Fasern aus dem 9. und 10. Hirnnerv (d.h. den uns bereits bekannten N. Glossopharyngeus und N. Vagus -> siehe Andersch und Arnold) dar. Es liegt über dem G. inferius und verarbeitet Temperatur-, Berührungs- und Schmerzsignale aus innervierten Regionen. Ganglienblocker können die Funktionsfähigkeit des Ganglions hemmen. Quelle: https://medlexi.de/Ganglion_superius

Hintergrund & Insiderwissen (für Mediziner und Neurologen…)

Das „obere“ Ganglion des N. glossopharyngeus liegt im Jochbeinloch (Foramen jugulare). Durch diesen Engpass verlaufen der 9., 10. und 11. Hirnnerv sowie drei wichtige Blutgefäße: Sinus petrosus inferior, Arteria meningea posterior und Vena jugularis interna.

Es beherbergt die Zellkörper (Perikarya) afferenter Neurone, welche die Zungenwurzel (Radix linguae), die Mandeln (Tonsilla palatina), den Rachen (Pharynx), die Tuba auditiva und die Cavitas tympani sensibel innervieren. Pschy

NB: Trotz seiner räumlichen Nähe zum Gehirn zählt das Ganglion superius nicht zum ZNS, sondern zum peripheren Nervensystem (PNS).

Nach seinem Entdecker Johann Ehrenritter wird das Ganglion superius auch als Ehrenritter-Ganglion bezeichnet (vor allem in der englischsprachigen Fachliteratur…)

NB: Streng genommen handelt es sich beim G. superius nicht um ein einzelnes Ganglion, sondern um zwei funktionell unterscheidbare Nervenknoten; sie sind versch. Hirnnerven zugeordnet und heißen demnach Ganglion superius nervi Glossopharyngei („oberes Ganglion des N. glossopharyngeus“) und Ganglion superius nervi Vagi („oberes Ganglion des N. vagus“).

Das Ganglion superius stellt eine Anhäufung von Nervenzellkörpern (Somata) dar, die nicht von einem festen Kern umgeben sind. Dennoch bildet das Ganglion ein einfaches Verarbeitungszentrum für Nervensignale, die in Form von elektrischen Impulsen (Aktionspotenzialen) über einen der Hirnnerven ins obere Ganglion gelangen. Das Ganglion superius nervi glossopharyngei ist dem 9. Hirnnerv zugeordnet. Von ihm aus führen Nervenfasern zum Ganglion inferius nervi glossopharyngei, auch Ganglion petrosum genannt.

Das G. inferius ist im Allgemeinen größer als das G. superius und schaltet die Neurone erneut um. Nachfolgend führt der N. glossopharyngeus im Inneren des Kopfes zum unteren Gesichtsbereich und innerviert dort den Nasenrachenraum sowie das hintere Zungendrittel. Die eigentlichen Zellkörper befinden sich im G. superius, während die Anbindung an das versorgte Areal durch die Axonen der Zellen erfolgt.

Das G. superius nervi Vagi ist der obere Nervenknoten des 10. Hirnnervs und auch als Ganglion jugulare bekannt. Auch der Nervus Vagus verläuft über ein zweites – i.d.R. größeres – Ganglion inferius nervi Vagi; andere Zweige der neuronalen Bahn gehen über den Kopf hinaus und führen in tieferliegende Körperbereiche. Die dafür zuständigen Nervenzellkörper liegen jedoch nicht im Ganglion superius.

Die Aufgabe des G. superius besteht darin, Nervenimpulse umzuschalten. Das Ganglion superius N. Glossopharyngei empfängt viszerosensible Signale aus dem Nasenrachenraum und dem hinteren Teil der Zunge. Seine Zellen sind empfindsam für Temperatur, Schmerz und Berührungen. Diese Art von Informationen dient unter anderem der Koordination beim Schlucken sowie bei einer Reihe von Schutzreizen.

Die Temperaturwahrnehmung in Nase, Mund und Rachen schützt uns davor, zu heiße oder zu kalte Nahrung aufzunehmen. Die empfindlichen Schleimhäute sind sehr anfällig für Schäden durch Temperatur und andere Einflüsse.

Die Wahrnehmung von Schmerz kann durch Aktivierung spezieller Schmerzrezeptoren bzw. Nozizeptoren entstehen. Dabei handelt es sich mehrheitlich um freie Nervenenden, die im Gewebe liegen. Die Zellen des Ganglions erhalten ebenfalls Informationen über Temperatur, Schmerz und Berührung. Sie innervieren den Kehlkopf, den Gehörgang und die äußere Hirnhaut (Dura mater). Sensible Nervensignale wandern von der Dura mater nicht nur über den Vagusnerv, sondern auch über den N. ophthalmicus, den N. ethmoidalis anterior, den N. maxillaris und den N. mandibularis. Für die Versorgung der harten Hirnhaut (Dura mater) sind jeweils bestimmte Äste der entsprechenden Nerven zuständig.

NB: Sowohl der N. Glossopharyngeus als auch der N. Vagus verlaufen weiträumig durch den menschlichen Körper und decken ein deutlich größeres Gebiet ab als hier beschrieben; die Nervenzellkörper, die für die jeweiligen Bereiche zuständig sind, liegen jedoch nicht im Ganglion superius, sondern in anderen Ganglien.

Klinische Bedeutung

Seine Lage in der Schädelhöhle oder im Jochbeinloch schützt das Ganglion superius weitgehend gegen Verletzungen durch äußere Einwirkungen.

Allerdings ist es wie alle Ganglien für die Wirkung unspezifischer Ganglienblocker anfällig. Ganglienblocker (Ganglioplegika) werden heute nur noch selten eingesetzt; früher gehörten viele Schlaf- und Beruhigungsmittel zu dieser Gruppe von Arzneimitteln. Wegen ihrer unspezifischen Wirkung haben sie häufig Nebenwirkungen.

Hydroxyzin ist als Wirkstoff gegen schwere allergische Reaktionen gedacht. Zu den Indikationen gehören stark ausgeprägte Nesselsucht (Urticaria), Neurodermitis, Angst, Schlafstörungen und Spannungszustände. Hydroxyzin kann darüber hinaus Psychosen, Denkstörungen und Zwangsstörung lindern, doch die Substanz ist für diesen Einsatz nicht zugelassen.

Phenobarbital, ein anderer Ganglienblocker, wurde zur medikamentösen Behandlung von Epilepsie oder als Schlafmittel eingesetzt. Der hemmende Effekt kann jedoch auch Müdigkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindel, Ataxie, Koordinationsschwierigkeiten und psychische Nebenwirkungen hervorrufen, weshalb unter Phenobarbital z.B. die Verkehrsfähigkeit der Patienten eingeschränkt ist.

Tetraethylammoniumionen fungieren ebenfalls als Ganglienblocker, haben jedoch eine größere Bedeutung in der Forschung, wo sie in experimentellen Untersuchungen dazu dienen die normale Funktion der Kaliumkanäle in Zellen zu unterbinden. In der medizinischen Praxis ist dieser Vorgang im Zusammenhang mit Erkrankungen maximal als Vergiftung relevant. 

Johann Ehrenritter

(Died ca 1790)

war ein österreichischer Anatom des 18. JH. Punkt!

Johann Ehrenritter

Man weiß definitiv nicht mehr über ihn…

Offensichtlich war Ehrenritter aber Prosektor bei Johann Peter Frank (1745-1821). Jedenfalls bezieht sich folgende Arbeit (JOURNAL ARTICLE) darauf:  Johann Peter Frank als Organisator des medizinischen Unterrichts

Erna Lesky

Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften

Bd. 39, H. 1 (1955), pp. 1-29

Published by: Franz Steiner Verlag

https://www.jstor.org/stable/20774291

Und dann wurde ich doch noch ein bisschen fündig und belohnt:

In dem Buch „Geschichte der Anatomie“ von Max Neuburger (oder Robert Ritter von Töply?)

VERLAG VON GUSTAV FISCHER, JENA, 1903.

heisst es auf S. 295:

… dann der kunstsinnige Barth (Jos. * 1745 18. Okt., t 1818 7. April; Prof. d. Anat. 1774—86), Erbauer eines anat. Amphitheaters für 300 Zuhörer, besonders geschickt in der Injektionstechnik, und wenn auch literarisch nicht besonders hervorragend) so doch durch seine Genialität der Mittelpunkt einer nicht unbedeutenden Forschergruppe. Dahin gehören sein Prosektor Ehrenritter (*?, f 1790 o. 91; hielt die anat. Vorlesungen seit 1786), Entdecker des Ramus tympanicus und des Ganglion superius nervi glossopharyngei… den Rest kennen wir…