50 shades of brain > 55 Golls Bündel

Da ich selbst jahrelang in der Schweiz gelebt und gearbeitet habe, ist es mir schon eine besondere Freude, einen währschaften Schweizer Gehirnforscher erwähnen zu dürfen.

 „Goll“ ist das Pendant zu „Burdach“ und beschreibt sozusagen dessen Zwillingsstruktur. Die Fasciculi Cuneati und Gracilis bilden in ihrer Gesamtheit die sog. Hinterstrangbahn des RM und enden in den zugehörigen Kernen (ebenfalls Cuneatus und Gracilis genannt)

Goll & Burdach gehören zusammen wie Pat & Patachon… oder wie Gowers & Flechsig…

Wer Goll sagt, muss auch Burdach sagen – und umgekehrt…

Goll-Bündel und Goll-Kern gehören ebenfalls zusammen. Beide zusammen sammeln, leiten bzw. verarbeiten Sinnes-Informationen vom Bein zum Gehirn, und zwar bis zur Medulla Oblongata (MO).

Aus Schreckhorns kaltem Haupt, wo sich in beide Seen
Europens Wasser-Schatz mit starken Strömen teilt,
Stürzt Nüchtlands Aare sich, die durch beschäumte Höhen
Mit schreckendem Geräusch und schnellen Fällen eilt;
Der Berge reicher Schacht vergüldet ihre Hörner
Und färbt die weiße Flut mit königlichem Erzt,
Der Strom fließt schwer von Gold und wirft gediegne Körner,
Wie sonst nur grauer Sand gemeines Ufer schwärzt.
Der Hirt sieht diesen Schatz, er rollt zu seinen Füßen,
O Beispiel für die Welt! er siehts und läßt ihn fließen

55 Golls Bündel

Goll-Bündel (Goll-Strang, Fasciculus gracilis: das „grazile Bündel“, Goll-Fasern (tractus bulbo-cerebellaris) -> Axone (Neuriten) des Nuc gracilis

Es handelt sich um die zu den Fibrae arcuatae externae dorsales gehörenden Neuriten des Nucleus gracilis („G.-Kern“), die sich dem Tractus spino-cerebellaris posterior anschließen u. zum KH-Wurm ziehen.

Goll beschrieb 1860 als erster den Fasciculus gracilis (den medialen Teil des Hinterstrangsystems), eine Nervenbahn des RM. Der Fasciculus gracilis gehört mit dem Fasciculus cuneatus zu den Hinterstrangbahnen des RM.

Diese Nervenbahn leitet sog. epikritische* und propriozeptive* Informationen, vor allem von der unteren Extremität (also dem Bein) zum Gehirn.

Die Nervenfasern des Fasciculus gracilis verlaufen gleichseitig (ipsilateral) ohne vorherige Umschaltung zum Nucleus gracilis in der MO, wo sie auf das zweite Neuron umgeschaltet werden. Nach dieser Umschaltung setzen sie sich als Lemniscus medialis fort, in dem die Kreuzung auf die Gegenseite (kontralateral) erfolgt.

Goll-Kern (G-Kern, Nuc gracilis)

Es handelt sich um den Nervenkern in der MO, in welchem die aufsteigenden, afferenten Fasern des Fasciculus gracilis auf ein 2. Neuron umgeschaltet werden.

Friedrich Goll

(* 1. März 1829 in Zofingen, Kanton Aargau; † 12. November 1903 in Zürich)

war ein Schweizer Arzt, Pharmakologe und Histologe des 19. JH.

Friedrich Goll, Quelle:

Biographisches

Der Sohn eines Kaufmanns, studierte an den Universitäten Zürich und Würzburg Medizin. 1853 wurde er in Zürich promoviert. Anschließend war er für zwei Jahre in Paris bei dem Physiologen Claude Bernard (1813-1878) tätig. 1855 ließ er sich als praktischer Arzt in Zürich in eigener Praxis nieder. Goll habilitierte sich 1862 für „Materia medica“ (ein Vorläuferfach der Pharmakologie) und wurde Dozent an der Universität. Von 1863 bis 1869 leitete er die Medizinische Poliklinik in Zürich, wobei er 1867 aktiv bei der Bekämpfung einer Choleraepidemie tätig war. Friedrich Goll war ab 1864 mit Eugenie Cellier verheiratet.

1885 wurde er zum außerordentlichen Professor für Arzneimittellehre (Pharmakologie) berufen, eine Position, die er bis 1901 innehatte.

Universität Zürich; Quelle: wiki

In einem Nachruf aus jener Zeit liest sich das so:

Friedrich Goll, geboren 1.3.1829 Zofingen, gestorben 12.11.1903 Zürich, ref., von Zürich. Sohn des Johann Ulrich, Kaufmanns, und der Sophie geb. Herosé. ∞ 1864 Eugenie Cellier, Tochter des Heinrich, Uhrmachers. Realgymnasium Zürich. 1847 Medizinstud. in Zürich, 1850 in Würzburg, ab 1851 wieder in Zürich, dort 1853 Dr. med. 1853-55 in Paris bei Claude Bernard. Ab 1855 prakt. Arzt in Zürich. 1862 Venia legendi für spezielle Pathologie und Arzneimittellehre an der Univ. Zürich. 1863-69 Leiter der medizin. Poliklinik. 1871 freiwilliger militärärztl. Dienst in Strassburg. 1885-1901 ao. Prof. für Arzneimittellehre. 1860 beschrieb G. als Erster, die nach ihm benannten, für die sensible Nervenleitung verantwortl. Hinterstränge des Rückenmarks. 1885-95 Präs. der kant. Ärztegesellschaft. G.s Interessen waren vielfältig (öffentl. Hygiene, Epidemiologie, Gehirnchirurgie). …

In einem weiteren Nachruf  heißt es:

Friedrich Goll (1829—1903, Mitgl. d. Gesellsch. der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich seit 1862). Wenige Tage* sind dahingegangen, seit Angehörige und Freunde eines edlen Menschen ihm das letzte Ehrengeleite gaben. Ein Leben, reich an aufreibender ärztlicher Tätigkeit, an akademischem Wirken, doch auch reich an Innern Freuden ist mit ihm entschwunden. Er wirkte, solange es für ihn geistiger Tag war, es kam die Nacht, da niemand wirken kann; immer noch hoffte die aufopferungsfreudige Gattin, dass die Zeit wiederkomme, da sein kranker Geist frisch auflebe, wenn auch nur zum Genüsse seines Lebensabends. Wir Ärzte, die wir ohnmächtig dem düstern Ausgang seines Lebensschicksals zu sehen mussten, konnten leider über denselben nicht im unklaren sein. Prof. Dr. Friedrich Goll ist am 1.März 1829 in Zofingen als Sohn eines angesehenen Kaufmanns geboren worden. 1840 siedelte die Familie nach Zürich über, dessen Schulen der Knabe besuchte. 1847 wurde er an der Zürcher Hochschule immatrikuliert; er war Schüler der Botaniker Heer und Nägeli, des Anatomen Herrn. v. Mejer, des Histologen Kolliker u.s.w.

1850 bis 1851 studierte Goll in Würzburg, wo er nach seinen Angaben poliklinisch praktizierte und zahlreiche wissenschaftliche Exkursionen in die Umgegend machte. 1851 nach einem Besuch der ersten grossen Weltausstellung in London liess er sich neuerdings in Zürich immatrikulieren, hörte die Kliniker Locher,-Zwingli, Hasse, Lebert, Billroth u.s.w. und arbeitete im Laboratorium des großen Physiologen Ludwig. 1853 machte Goll das ärztliche Staatsexamen; am 19. März gleichen Jahres erhielt er auf Grund einer Dissertation „Über den Einfluss des Herzdrucks auf die Exurese“ den Doktortitel. Zur weitern Ausbildung nach Paris übergesiedelt, arbeitete Goll daselbst während fast zweier Jahre bei Cl. Bernard. Ende 1854 kehrte er nach Zürich zurück und eröffnete seine ärztliche Praxis in seiner Wohnung an der Kuttelgasse, blieb aber dabei in regem wissenschaftlichem schriftlichem Verkehr mit seinen großen Lehrern. 1863 übernahm er die Leitung der Universitäts-Poliklinik; diese bot ihm ein reiches Feld praktischer Tätigkeit, zumal als in den Sechziger Jahren die Cholera-Epidemie hereinbrach. 1871 zog er mit den schweizerischen Hilfskolonnen in den deutsch-französischen Krieg, wirkte in den Laufgräben von Strassburg, in Mannheim etc. Seine vor den Schrecken des Krieges nicht zurückbebende Gattin, geb. Eugenie Cellier, die er 1864 zum Traualtar geführt hatte, suchte ihn in seiner segenspendenden Wirksamkeit auf, eine treffliche, ihm in allen Lebenslagen mit Rat und Tat treu zur Seite stehende Lebensgefährtin.

Nekrolog aus der Feder des Herrn Dr. Rheiner in St. Gallen; er erschien in Nr.3″2’i(:20.Nov.1903) der N.Z.Ztg

Quellen, Werke & Veröffentlichungen

Über den Einfluss des Blutdruckes auf die Harnabsonderung (Dissertation, 1853)

Beiträge zur feineren Anatomie des menschlichen Rückenmarks. In: Denkschrift der medizinisch-chirurgischen Gesellschaft im Kanton Zürich (Zürich 1860)

Autorin/Autor: Caroline Jagella Denoth