50 shades of brain > 54 Golgi-Zellen

Den Golgi-Apparat kennt heute jedes Kind…

Golgi hat unabhängig vom Gehirn Grundlegendes für die Medizin geleistet. Man denke nur an den Golgi-Apparat und die Golgi-Färbung.

Golgi & Cajal: Die beiden waren sich spinnefeind: Ein stolzer spanischer Stier trifft auf ein noch stolzeres italienisches Trüffelschwein. Jeder hätte für sich einen eigenen Nobelpreis verdient, aber bereits damals begann diese unselige Geschichte mit den geteilten Nobelpreisen…

Was für eine Geschichte: Da erfindet ein Forscher eine revolutionäre Technik (Golgi) – und dann kommt ein anderer daher (Cajal) und verbessert diese Technik entscheidend und hat noch bessere Ergebnisse…

Wer Golgi sagt, muss auch Cajal sagen – und umgekehrt…

Golgi- & Purkinjezellen: Die Arbeitspferde des Kleinhirns…

Der italienische Nobelpreisträger hat so viel entdeckt, es hätte locker auch für zwei solitäre Nobelpreise gereicht. Seine Silberimprägnationstechniken ermöglichten es seinem Konkurrenten Cajal an ihm vorbeizuziehen – zumindest was die Hirnforschung betraf.

Ach ja: Bei den Golgizellen handelt es sich um hemmende Interneurone der Kleinhirn-Rinde.

Verblendte Sterbliche! die, bis zum nahen Grabe,
Geiz, Ehr und Wollust stets an eitlen Hamen hält,
Die ihr der kurzen Zeit genau gezählte Gabe
Mit immer neuer Sorg und leerer Müh vergällt,
Die ihr das stille Glück des Mittelstands verschmähet
Und mehr vom Schicksal heischt als die Natur von euch,
Die ihr zur Notdurft macht, worum nur Torheit flehet:
O glaubts, kein Stern macht froh, kein Schmuck von Perlen reich!
Seht ein verachtet Volk zur Müh und Armut lachen,
Die mäßige Natur allein kann glücklich machen.

54 Golgi-Zellen

Golgi-Zelle (lat. Neuron stellatum magnum, engl. Golgi’s cell)

Als Golgi-Zellen bezeichnet man GABAerge, multipolare Körnerzellen des Stratum granulosum der Kleinhirnrinde, die vor allem rückkoppelnd hemmen. Sie erhalten exzitatorische Eingänge aus den Parallelfasern der Körnerzellen und hemmen deren Dendriten über einen Feedback-Mechanismus.

Sie gehen embryologisch aus der Ventrikulärzone der Flügelplatten des Metencephalons hervor.

Hintergrund & Insiderwissen

Es handelt sich um die inhibitorischen Interneurone der KH-Rinde. Der relativ große Zellkörper (Perikaryon) sitzt in der Körnerschicht, während der breitgefächerte Dendritenbaum in die Molekularschicht ragt. Dort erhält die Golgi-Zelle erregenden synaptischen Input von den Parallelfasern der Körnerzellen. Das Axon wiederum projiziert innerhalb der Körnerschicht zu den Dendriten der Körnerzellen, mit denen in den Glomeruli cerebellares inhibitorische Synapsen gebildet werden. Der hier verwendete Neurotransmitter ist GABA.

Diese Verschaltung unterdrückt eine übermäßige Erregung der Körnerzellen durch die erregenden Moosfasern und hat somit auch einen indirekten Einfluss auf die Aktivität der Purkinje-Zellen, da diese von den Körnerzellen über die Parallelfasern erregt werden. Die Golgi-Zelle ist daher ein wichtiger Regulator neuronaler Aktivität in der Kleinhirnrinde. – Projektionsneurone werden gelegentlich auch als Typ-I-Golgi-Zelle, Interneurone auch als Typ-II-Golgi-Zelle bezeichnet. (Lexikon der Neurowissenschaften).

Golgi-Apparat (G-Komplex, G-Binnennetz) kommt natürlich auch in Nervenzellen vor – und wurde dort sogar entdeckt…)

Organell jeder kernhaltigen Zelle, das mikroskopisch – nach Schwärzung mit Osmiumsäure oder Silbersalzen – als Knäuel- u. Bälkchenstruktur oder als Netz erkennbar wird (G.-Externum; lipidhaltig) u. das eine lipidfreie, nicht geschwärzte Innenstruktur aufweist (G.-Internum).

Der G-Komplex wird unterteilt in Cis-Golgi-Netzwerk (CGN) u. Trans-Golgi-Netzwerk (TGN) undliegt meist in Kernnähe, im sog. Golgi-Feld, im Grundplasma(welche auch als Golgi-Substanz bezeichnet wird), in dem die biochemisch aktiven 3-schichtigen Membranen gebildet werden u. das elektronenoptisch leer ist oder runde Partikel enthält.

Der G.-Apparat ist u.a. Sitz von Enzymen, die überwiegend an der Synthese u. Modifizierung von Oligo- u. Polysacchariden beteiligt sind; er spielt eine zentrale Rolle im Zellstoffwechsel (chem. Abwandlung von Produkten des endoplasmatischen Retikulums, Speicherung, Transport);

Der Golgi-Apparat ist die „Poststation“ der Zelle. Er verteilt die Proteine und Lipide, die aus dem Endo-plasmatischen Retikulum kommen entsprechend ihren „Adressaufklebern“. Sie werden dann in Vesikel (lat. vesicula = Bläschen) verpackt und als Proteine in die Zellmembran integriert, bzw. für den Export ausgeschleust (z. B. Hormone) oder als Bausteine der Lysosomen verwendet.

aus: Horn et al. „Biochemie des Menschen“

Nach Golgi wurden auch benannt:

Golgi-Färbung: Imprägnation zur Darstellung von Ganglienzellen, Neurofibrillen, Sekretkapillaren u. Zellgrenzen. Erfolgt mit wässriger Silbernitratlösung (0,75%ig) nach Vorbehandlung in Kaliumbichromat u. Osmiumsäure (Golgi-Reagens). Evtl. Wiederholung der Chromierung = Golgi-Doppelimprägnierung) oder mit 5%igem Sublimat (Golgi-Sublimatmethode).

Golgi-Substanz

Golgi-Feld

Golgi-Bergmann-Epithelialzellen: Makrogliazellen in der Purkinje-Zellschicht des KH. Vom oberen Zellpol ausgehende Fortsätze durchsetzen die Molekularschicht u. bauen mit Endfüßchen die Glia-Grenzmembran auf, enden z.T. auch an Kapillaren.

Golgi-Typ Neurone: multipolare Ganglienzellen vom Typ Golgi I. Cc. Axi rami ficatae

Golgi-Sehnenorgan (Sehnenspindel, Golgi-Korpuskel): spindelförmiges Muskelsinnesorgan (s.a. Muskelspindel), bestehend aus Sehnenfasern u. Endfasern eines sensiblen Nervenästchens.

Golgi-Mazzoni-Körperchen: v.a. in der Haut, an der Grenze zur Unterhaut (zahlreich am äußeren Genitale), aber auch in Bindehaut, Nagelbett u. Mesenterium vorkommende druckempfindliche Lamellenkörperchen (meist kernfreier Plasmakörper mit baumartig verzweigter Nervenfaser). Von manchen Autoren als Kälterezeptoren angesehen.

Camillo Golgi

(* 7. Juli 1843 in Corteno Golgi, Brescia, Italien; † 21. Januar 1926 in Pavia, Italien)

war ein italienischer Mediziner und Histologe des 19./20. JH.

Er erhielt im Jahr 1906 für seine Untersuchungen zur feingeweblichen Anatomie des Nervensystems den Nobelpreis für Medizin – gemeinsam mit Santiago Ramón y Cajal…

Camillo Golgi, Quelle:

Biographisches

Golgi wurde als Sohn eines Arztes geboren. Er studierte Medizin und promovierte 1865 an der Universität Pavia. Seine akademischen Lehrer waren vor allem der Arzt, Neurologe, Physiologe und Anthropologe sowie Bewusstseinsforscher Paolo Mantegazza (1831 – 1910, – Mantegazza publizierte mehrere Arbeiten über die Wirkungen psychotroper Pflanzen auf das menschliche Bewusstsein und auch mehrere Romane, die zu seiner Zeit Bestseller waren, inzwischen jedoch nahezu in Vergessenheit geraten sind), der Pathologe und Histologe Giulio Bizzozero (1846-1901) und der Physiologe und Histologe Eusebio Oehl (1827-1903).

Nach seinem Studium arbeitete er im Krankenhaus von St. Matteo. 1872 übernahm er die Position des Chefarztes am Krankenhaus für chronische Erkrankungen in Abbiategrasso.

Hier begann er in einer umgebauten Küche (schlag nach bei Edinger!) seine bahnbrechenden Arbeiten über das Nervensystem.

1876 kehrte Golgi als Außerordentlicher Professor für Histologie an die Universität in Pavia zurück und erhielt 1881 nach einem kurzen Aufenthalt in Siena den Lehrstuhl für Allgemeine Pathologie.

1890 identifizierte er die drei verschiedenen Erreger der Malaria und entwickelte eine Methode, die Stadien des Parasiten zu fotografieren.

Während des I. Weltkriegs setzte sich Golgi für ein Militärhospital in Pavia ein. Hier baute er ein Neuropathologisches und Mechano-pathologisches Institut zum Studium und zur Behandlung von Verletzungen des Peripheren Nervensystems (PNS) auf.

Camillo Golgi heiratete 1881 die Nichte seines Lehrers Bizzozero, Donna Lina. Sie hatten keine eigenen Kinder, adoptierten jedoch seine Nichte Carolina.

Wissenschaftliches Werk

Golgi entwickelte die nach ihm benannte Golgi-Färbung, eine Methode zum Anfärben von Nervenzellen und Zellstrukturen, die als „Schwarze Reaktion“ bekannt wurde. Es handelte sich um eine histologische Färbung mit Silbernitrat, worüber Golgi 1873 berichtete.

Die meiste Zeit seines Lebens versuchte Golgi, diese, vor allem durch den Schweizer Forscher Albert von Koelliker (s.d.) international bekanntgemachte Methode zu verbessern und zu verfeinern. Durch sie entdeckte er u. a. den nach ihm benannten Golgi-Apparat und die von ihm 1875 beschriebenen Golgi-Zellen im Gehirn (in der KH-Rinde).

Schematic drawing of the dentate gyrus, a part of the hippocampal formation, proposed by Camillo Golgi in support of the reticular theory. Schematische Zeichnung des Gyrus Dentatus, eines Teils der Hippokampusformation, vorgeschlagen von Camillo Golgi  zur Unterstützung der Netztheorie  (aus Golgis Nobel-Preis Vorlesung „Neuron doctrine: theory and facts“, 1906.

Universität Pavia; Quelle: Wiki

Ehrungen und Auszeichnungen

1890: Mitglied der Leopoldina, 1892: Korrespondierendes Mitglied (ab 1906 auswärtiges Mitglied) der Göttinger Akademie der Wissenschaften, 1905: Korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften

1906: Nobelpreis für Medizin

1911: Korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1914: Aufnahme in den Orden Pour le mérite für Wissenschaft und Künste

1976: Benennung des Mondkraters Golgi, 2017: Benennung des Asteroiden (6875) Golgi.