50 shades of brain > 58 Gratiolets Sehstrahlung

Während einem Neurochirurgen die Schleifen von Baum, Meyer & Archambault eher fremd sind und bleiben, kennt er die Gratiolet-Strahlung, also die Sehstrahlung, durchaus…

Die Sehstrahlung war uns Neurochirurgen der 1980er Jahre immer ein bisschen unheimlich, man musste sie schonen, wusste aber nicht wie…

Gratiolet entdeckte den wesentlichen Teil der Sehstrahlung – vom Chiasma Opticum bis zum (seitlichen) Kniehöcker. Eigentlich umfasst sie auch die Meyer- und Baumschleifen und endet damit in der Sehrinde

Der Panther

(Im Jardin des Plantes, Paris)
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.


Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris

58 Gratiolets Sehstrahlung

Gratiolet-Sehstrahlung (Radiatio optica, tractus geniculo-calcarinus)

NB: Als Sehbahn im engeren Sinn bezeichnet man einen Teil der neuronalen Nervenbahn des optischen Systems vom Chiasma opticum bis zum Gehirn, anatomisch Tractus opticus genannt. In weiterem Sinn wird unter „Sehbahn“ (Sehleitung) die Kette verschalteter Neuronen des visuellen Systems vom Auge bis zum primären visuellen Cortex im Großhirn verstanden.

Die Sehbahn umfasst in diesem Sinn – außer den (1.) primären und (2.) sekundären afferenten Neuronen der Netzhaut (Retina) – neben den Nervenfasern der (3.) retinalen Ganglienzellen, die in ihrem Verlauf vom Augenaustritt bis zum optischen Chiasma als Sehnerv (Nervus opticus) und danach als Sehbahn (Sehstrang, Tractus opticus) bezeichnet werden, auch die von (4.) Neuronen des seitlichen Kniehöckers (Corpus geniculatum laterale) im Metathalamus des Zwischenhirns (Dienzephalon) ausgehenden Fasern der Sehstrahlung (Radiatio optica), die an den (5.) Neuronen der (primären) Sehrinde (Area striata) des Endhirns enden.

Die Gratiolet Strahlung ist auch bekannt als tractus geniculo-calcarinus. Das massive, fächerartige Fasersystem zieht vom seitlichen Kniehöcker des Thalamus zum visuellen Kortex.

Siehe auch Archambault-Schleife, Baum-Schleife, Meyers Loop

Nach Gratiolet sind auch benannt:

Gratiolet-Fasern

Es handelt sich um Faserzüge, die in der Gratiolet-Sehstrahlung verlaufen. Sie verbinden die Sehrinde mit dem seitlichen Kniehöcker (Corpus geniculatum laterale) zur Bahnung oder Dämpfung optischer Erregungen in dieser subkortikalen Schaltstation.

Analog: F. occipito-pontiles stellen Verbindung zu den Brückenkernen (Übermittlung optischer Erregung an das Kleinhirn) dar. Die F. occipito-tectales ziehen zur Vierhügelplatte (Colliculi inferiores laminae tecti).

Louis Pierre Gratiolet

(* 6. Juli 1815 in Sainte-Foy-la-Grande, Département Gironde; † 16. Februar 1865 in Paris)

war ein französischer Arzt und Zoologe des 19. JH.

Louis Pierre Gratiolet, Quelle:

Gratiolet war ab 1863 Professor der Zoologie an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Paris. Er arbeitete auf den Gebieten der Anthropologie, der Anatomie des Gehirns und der Physiognomik.

Biographisches

Louis Pierre Gratiolet war ein französischer Anatom und Zoologe, der aus Sainte-Foy-la-Grande, Gironde stammte. Er folgte Isidore Geoffroy Saint-Hilaire (1805-1861) als Professor für Zoologie an der Fakultät der Wissenschaften der Universität Paris nach.

Gratiolet ist für seine Arbeiten in der Neuroanatomie, Physiognomie und physikalischen Anthropologie bekannt. Er forschte auf dem Gebiet der vergleichenden Anatomie und führte wichtige Studien über die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen menschlichen und verschiedenen Primatengehirnen durch. Ihm wird auch zugeschrieben, dass er die Abgrenzung der kortikalen Oberfläche des Gehirns in fünf Lappen (Frontallappen, Temporallappen, Parietallappen, okzipitalen Lappen und insularen Kortex) eingeführt hat.

Mit Paul Broca (s.d., 1824-1880) führte er Studien zur Aphasie und zum Frontallappen durch. Gratiolet war ein lautstarker Kritiker von Broca in Bezug auf dessen Überzeugung, dass ein größeres Gehirn mit höherer Intelligenz gleichgesetzt wurde.

Gratiolets Werk wird in folgender Veröffentlichung gewürdigt:

Louis Pierre Gratiolet (1815-1865) and his Contribution to the Study of Cerebral Convolutions in Primates

André Parent

Neuroscience & Medicine
Vol.5 No.1(2014), Article ID:43511,8 pages DOI:10.4236/nm.2014.51001

Département de Psychiatrie et de Neurosciences, Faculté de Médecine, Université Laval, Québec City, Canada

Email: Andre.Parent@fmed.ulaval.ca

Copyright © 2014 by author and Scientific Research Publishing Inc.

This work is licensed under the Creative Commons Attribution International License (CC BY).

http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Received 22 December 2013; revised 20 January 2014; accepted 18 February 2014

Zusammenfassung (Übersetzung jols/Microsoft)

Louis Pierre Gratiolet (1815-1865) war einer der ersten modernen Anatomen, die ihre Aufmerksamkeit auf die zerebralen Faltungen (Hirnwindungen) richteten. Geboren in Sainte-Foy-la-Grande (Gironde), zog er 1834 nach Paris, um Medizin zu studieren, sowie vergleichende Anatomie bei Henri de Blainville (1777-1850). 1842 nahm er de Blainvilles Angebot an, sein Assistent am Muséum d’histoire naturelle zu werden, und gab die Medizin für die vergleichende Anatomie nach und nach auf. Er nahm eine detaillierte Untersuchung menschlicher Gehirne und der Gehirne von Primaten vor und erkannte bald, dass das Organisationsmuster der zerebralen Faltungen so vorhersehbar war, dass es als Kriterium für die Klassifizierung von Primatengruppen dienen konnte. Er stellte fest, dass nur die tiefsten Sulci in niedrigeren Primatenformen existieren, während die Komplexität der kortikalen Faltung bei Menschenaffen und Menschen deutlich zunimmt.

Gratiolet lieferte die erste schlüssige Beschreibung der lobulären Organisation der zerebralen Hemisphären von Primaten. Er sah die Insel als einen zentralen Lappen, um den sich die frontalen, parietalen, temporalen (temporo-sphenoidalen) und okzipitalen Lappen drehten. Er identifizierte die meisten Gyri und Sulci auf allen Hirnoberflächen richtig, führte den Begriff „plis de passage“ für einige miteinander verbundene Gyri ein und lieferte die erste Beschreibung der optischen Strahlung. In den frühen 1860er Jahren führte Gratiolet einen öffentlichkeitswirksamen Kampf gegen Paul Broca (1824-1880) über die Beziehung zwischen Gehirn und Intelligenz. Gratiolet stimmte zu, dass das Gehirn höchstwahrscheinlich der Sitz der Intelligenz war, aber er hielt die menschliche Kognition für viel zu subtil, um eine direkte Beziehung zur Gehirngröße zu haben. Er argumentierte, dass eine detaillierte Untersuchung der menschlichen Gehirnarchitektur nützlicher wäre als Brocas vergebliche Spekulationen über die Beziehung zwischen Gehirngewicht und Intelligenz, die er als monolithische Einheit betrachtete. Trotz bemerkenswerter wissenschaftlicher Leistungen und einer einzigartigen Lehrfähigkeit konnte sich Gratiolet erst drei Jahre vor seinem plötzlichen Tod in Paris im Alter von 49 Jahren eine akademische Position sichern.

Einführung

Die Großhirnrinde ist ein relativ junger phylogenetischer Erwerb, die ihre höchste Komplexität bei Menschen und Primaten erreicht. Die menschliche Großhirnrinde hat eine Gesamtfläche von ca. 2200 cm2 und ein Volumen von ca. 500.000 mm3; Es beherbergt etwa 20 – 30 Milliarden Neuronen, die in etwa 3 x 1014 morphologisch differenzierten interneuronalen Kontakten verschaltet sind. Diese erstaunliche Zahl entspricht der Anzahl der Millisekunden, die in den letzten 10.000 Jahren, also seit Beginn der Jungsteinzeit, verstrichen sind. Die Großhirnrinde bildet den voluminösesten Teil des menschlichen Gehirns, aber nur ein Drittel davon ist leicht sichtbar, der restliche Teil ist in den Tiefen der Sulci verborgen.

Überraschenderweise erregten die kortikalen Furchen (Sulci) und Windungen (Gyri) bis zum 19. JH wenig Aufmerksamkeit, als klinische Neurologie, Neuropathologie und vergleichende Anatomie begannen, die Komplexität und funktionelle Bedeutung des kortikalen Mantels zu enthüllen.

Dieser Text ist Louis Pierre Gratiolet gewidmet, der einer der ersten Anatomen war, der den vergleichenden Ansatz systematisch als Werkzeug zur Kartierung der kortikalen Oberfläche bei Primaten nutzte.

Eine kurze Biographie

Louis Pierre Gratiolet wurde 1815 in Sainte-Foy-la-Grande (Gironde) geboren, einer kleinen Stadt, aus der auch Paul Broca (1824-1880) stammt, ein weiterer berühmter Neuroanatom. Gratiolets Vater war Arzt, der zunächst in Sainte-Foy und dann in Bordeaux praktizierte, wo der junge Louis Pierre sein College-Studium begann. Anfang der 1830er Jahre zog Gratiolet nach Paris, wo er die medizinische Fakultät besuchte. Während seines Praktikums an der Salpêtrière brachte ihm sein Engagement für Anatomie die Unterstützung des Chefarztes, des berühmten Etienne Parsiset (1770-1847). An der Salpêtrière verfolgte Gratiolet die vergleichenden Anatomievorlesungen von Henri-Marie Ducrotay de Blainville (1777-1850) im nahegelegenen Museum d’histoire naturelle. 1842 nahm er de Blainvilles Angebot an, sein Assistent am Museum zu werden, und gab nach und nach die Medizin für die vergleichende Anatomie auf. Gratiolet arbeitete zwei Jahrzehnte am Museum, zunächst als Laborassistent, dann als Teilzeitdozent (1844-1850) und schließlich als Leiter der anatomischen Studienabteilung (1853-1862).

Das Jahr 1854 war ein Meilenstein in Gratiolets Karriere und Privatleben. Anfang des Jahres veröffentlichte er sein erstes großes Werk über die Anatomie von Primatenhirnen, später heiratete er Madeleine Schloesing, die ihm drei Kinder, zwei Jungen (Pierre und Ludovic) und ein Mädchen (Aline) schenkte. Während seiner Zeit am Museum beschränkte sich Gratiolet nicht auf die Untersuchung der zerebralen Faltungen; er untersuchte auch die mikroskopische Organisation des Rückenmarks, die embryologische Entwicklung versch. Hirnstrukturen, wie das Kleinhirn, Aspekte der Hirnpathologie und die vergleichende Anatomie von Tieren (z.B. Blutegel und Nilpferd).

Er widmete den späteren Teil seiner Karriere dem Studium der Mechanismen des Gesichtsausdrucks und der anthropologischen Aspekte der Gehirn-Intelligenz-Beziehung. 1858 verlieh ihm die französische Regierung den Titel Chevalier de la Légion d’honneur (Ritter der Ehrenlegion). Trotz seiner bemerkenswerten wissenschaftlichen Leistung und einer einzigartigen Lehrfähigkeit hatte Gratiolet große Schwierigkeiten bei seinem Versuch, sich eine akademische Position zu sichern, so dass er seine kleine Familie unter sehr schwierigen Bedingungen durchbringen musste. Erst spät im Jahr 1863 wurde Gratiolet gebeten, Isidore Geoffroy Saint-Hilaire (1805-1861) offiziell als Professor für Zoologie an der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Paris nachzufolgen, eine Position, die es ihm erlaubte, an der Sorbonne zu lehren. Leider konnte er diesen prestigeträchtigen und wohlverdienten Lehrstuhl nicht lange geniessen…

Literatur & Quellen, Referenzen & Links

Mit François Leuret: Anatomie comparée du système nerveux considéré dans ses rapports avec l’intelligence (Paris, Ballière, vol 1, 1839)

Mémoire sur les Plis Cérébraux de l’Homme et des Primates (Paris, Bertrand, 1854)

De la Physiognomie et des Mouvements d’Expression (About physiognomy and the movements of expression) 1865.

Recherches sur l’anatomie de l’hippopotame. (Research on the anatomy of the hippopotamus) 1867.

Mondofacto Dictionary Gratiolet’s radiation

Dieser Artikel basiert teilweise auf einer Übersetzung eines Artikels aus der französischen Wikipedia (This article is partially based on a translation of an article from the French Wikipedia…)

Louis Pierre Gratiolet (1815-1865): The Cerebral Lobes and Fissures, J.M.S. Pearce, European Neurology, Vol. 56, No. 4, 2006.

Works by or about Louis Pierre Gratiolet at Internet Archive

Recherches sur l’anatomie de l’hippopotame. Publiées par les soins du docteur Edmond Alix. Masson, Paris 1867.

(Auch Gratiolet versucht sich am Hippopotamus…)

Exkurs: Die Netzhaut

Die Netzhaut (Retina, latein. rete ‚Netz‘, innere Augenhaut) ist das mehrschichtige, spezialisierte Nervengewebe, das die Innenseite des Auges (bei Wirbeltieren, Tintenfischen und Schnecken …) auskleidet. In der Netzhaut wird das einfallende Licht, nachdem es Hornhaut, Linse und Glaskörper durchquert hat, in Nervenimpulse umgewandelt.

Dem abdunkelnden retinalen Pigmentepithel liegt von innen die Schicht der lichtempfindlichen Sinneszellen (Fotorezeptoren) an. Deren Impulse werden in weiteren Schichten von Nervenzellen, die nach innen folgen, verarbeitet und weitergeleitet. Daneben enthält die Retina versch. unterstützende und versorgende Strukturen.

Die Netzhaut ist eine Art Projektionsfläche für die Abbildung unserer Umgebung, ähnlich einer Leinwand oder einem lichtempfindlichen Film, und leitet die durch Lichtreize hervorgerufenen Erregungen weiter an Hirnregionen.

Auge & Netzhaut

Schema eines Längsschnitts durch Augapfel und Sehnerv: (Quelle: wiki)

1. Lederhaut (Sklera), 2. Aderhaut (Choroidea)

3. Schlemm-Kanal (Sinus venosus sclerae), 4. Arterieller Gefäßring (Circulus arteriosus iridis major)

5. Hornhaut (Cornea), 6. Regenbogenhaut (Iris)

7. Pupille (Pupilla)

8. vordere Augenkammer (Camera anterior bulbi), 9. hintere Augenkammer (Camera posterior bulbi)

10. Ziliarkörper (Corpus ciliare)

11. Linse (Lens), 12. Glaskörper (Corpus vitreum)

13. Netzhaut (Retina) und Pigmentepithel

14. Sehnerv (Nervus opticus)

15. Zonulafasern (Fibrae zonulares)

NB: Äußere Augenhaut (Tunica externa bulbi): 1. + 5., Mittlere Augenhaut (Tunica media bulbi): 2. + 6. + 10., Innere Augenhaut (Tunica interna bulbi): 13.

Die Schichten der Netzhaut betreffend bezeichnet man als außen die Seite der Netzhaut, die näher zur Außenwand des Augapfels liegt. Als innen wird entsprechend die näher zur Augapfelmitte liegende Seite bezeichnet. Das durch die Pupille in den Augapfel eingefallene Licht erreicht also zunächst die inneren Netzhautschichten, und dann erst die äußeren; die äußerste Schicht der Netzhaut wird von einer Lage dunkel pigmentierter Zellen gebildet, dem retinalen Pigmentepithel.

Als vorn (anterior oder distal) bezeichnet man die Netzhautanteile, die den Strukturen des vorderen Augenabschnitts, der Iris und der Linse, nahe sind.

Hinten (posterior oder proximal) heißen somit Netzhautanteile an jener der Linse gegenüber liegenden Augapfelwand. Für die Angabe von Richtungen in der Querachse werden die Ausdrücke nasenseitig (nasal) und schläfenseitig (temporal) gebraucht.

Abschnitte und Grenzen

Den weitaus größten Teil der Innenfläche des Augapfels bildet die sog. Neuroretina (Pars optica retinae), welche die Fotorezeptoren trägt. Nach vorne zu ist sie etwa 3 mm hinter dem Ziliarkörper (Corpus ciliare) mit einer zackenförmigen Grenze, der Ora serrata, von der Pars caeca retinae (lat. caecus ‚blind‘) abgesetzt, die ganz vorn als Pars ciliaris retinae den Ziliarkörper überzieht. Die vorderen Netzhautabschnitte können am intakten Auge bei der Kontaktglasuntersuchung mit einem Dreispiegelkontaktglas betrachtet werden.

Der Netzhaut liegt außen die Aderhaut (Choroidea) auf, welche per Diffusion die äußeren Netzhautschichten mit Nährstoffen versorgt. Innen liegt der Netzhaut der Glaskörper (Corpus vitreum) an. Hinten geht die Netzhaut in der Sehnervenpapille in den Sehnerv (Nervus opticus) über, welcher die Nervenfasern der Ganglienzellschicht enthält.

Dem Schutz der Netzhaut dient die Fundus sogenannte Blut-Retina-Schranke (s.a. Blut-Hirn-Schranke).

Beim Blick auf den Augenhintergrund (Fundus oculi) durch die Pupille schaut man durch die farblose und durchsichtige Neuroretina hindurch auf das dunkel pigmentierte retinale Pigmentepithel (RPE) und die darunterliegende, typabhängig mehr oder weniger dunkel pigmentierte Aderhaut. Als auffällige Landmarke findet man etwa 15° nasal von der optischen Achse die Austrittsstelle des Sehnerven mit seiner Papille (Papilla nervi optici). Sie hebt sich durch ihre rosa bis hellrote Farbe vom übrigen Braunorange des Fundus ab. Die Papille hat einen Durchmesser von durchschnittlich etwa 1,5 mm und ist mit individuell unterschiedlich ausgeprägtem Rand rund oder oval geformt.

Der blinde Fleck

Als blinder Fleck wird im Gesichtsfeld (GF) die Stelle bezeichnet, auf die sich die Papille des Sehnerven projiziert (etwa 15° schläfenseitig vom Fixierpunkt). Dort, wo die Nervenfasern von Ganglienzellen der inneren Schicht zusammenlaufen und durch alle Netzhautschichten hindurchtretend den Augapfel verlassen, den Sehnerv bilden, befinden sich keine Lichtrezeptoren. Das Gebiet der Sehnervenpapille ist also wirklich lichtunempfindlich, „blind“.

NB: Dass dieser „blinde“ Fleck auch bei einäugigem Sehen nicht wahrgenommen wird, liegt am sog. Ergänzungseffekt. Das visuelle System verwendet Informationen, die die Rezeptoren in der Umgebung der Papille liefern, um das Bild zu ergänzen.

Der gelbe Fleck (Macula lutea -> Gefäße der Netzhaut)

Auch die großen Netzhautgefäße (Arteriola und Venola centralis retinae), die wesentlich zum okulären Blutfluss beitragen, passieren die Augapfelwand und treten im Zentrum der Papille durch. Sie verzweigen sich hier in ein oberes und ein unteres Büschel und teilen sich meist noch einmal in einen nasalen und einen temporalen (schläfenseitigen) Ast auf. An ihrer unterschiedlichen Rottönung und am Kaliber lassen sich die Arteriolen von den Venolen unterscheiden.

Die temporalen Gefäßzweige umrunden bogenförmig ein gefäßarmes und im Zentrum gefäßfreies Gebiet, das den gelben Fleck (Macula lutea) darstellt. Die gelbliche Färbung dieses im Durchmesser rund 3 mm großen Netzhautareals wird durch die hier eingelagerten Carotinoide Lutein und Zeaxanthin hervorgerufen. Diese filtern energiereiches (UV-)Licht und schützen die Netzhautzellen so vor photo-oxidativen Schäden. Inmitten der Macula lutea liegt eine seichte Vertiefung, die Fovea centralis (Fovea, Sehgrube); um die Fovea centralis herum ist die Netzhaut zu einem flachen Wall verdickt. Diese Oberflächenform kommt durch Verlagerungen von Netzhautschichten zustande und kann bei der Spiegelung des Augenhintergrundes an Lichtreflexen, dem sog. Wallreflex, erkannt werden.

Die Sehgrube im „gelben Fleck“ enthält die Stelle des schärfsten Sehens. Hier besitzt die Netzhaut die größte Auflösung, wie man sie etwa beim Lesen von Kleingedrucktem braucht. Die umgebende Netzhaut hat ein geringeres Auflösungsvermögen; diese peripheren Netzhautregionen dienen im Wesentlichen der Umfeldwahrnehmung, dem Erkennen von Dingen „aus den Augenwinkeln“, und sind die Grundlage des peripheren Gesichtsfeldes. Die zentrale Retina mit der Fovea centralis repräsentiert in der Foveola mit deren Mitte als motorischem Nullpunkt den Richtungswert geradeaus, auch Hauptsehrichtung genannt. Jeder periphere Netzhautpunkt besitzt ein anderes Richtungsempfinden, was zu entsprechend vielen Nebensehrichtungen führt.

Schwere Schädigungen der Macula lutea, z. B. durch die altersbedingte Makuladegeneration (AMD), können zu erheblichen Verlusten der Sehschärfe führen, sodass sie beispielsweise zum Lesen oder Autofahren nicht mehr ausreicht.

Nervenzellen der Netzhaut

Nervenzelltypen der Netzhaut schematisch, Licht fällt von links ein, weiß unterlegt die zellkernreichen Schichten.

v. l. n. r.: weiß: Ganglienzellen und ihre Axone, grau: Innere plexiforme Schicht, weiß: Amakrine Zellen, Bipolare, Horizontalzellen, gelb: Äußere plexiforme Schicht, weiß: Fotorezeptoren, hellbraun: Fotorezeptoren Außensegmente

Ein Netzhautquerschnitt zeigt im Lichtmikroskop (LiMi) eine auffällige Schichtung, die durch abwechselnd zellkernreiche und -arme Lagen gebildet wird. Die Schichten besitzen charakteristische Zelltypen und subzelluläre Kompartimente. Die Nervenzellen der Netzhaut lassen sich in drei Gruppen gliedern:

Die lichtempfindlichen (fotorezeptiven) Zellen, welche das eintreffende Licht in Nervenimpulse umwandeln. Dazu gehören die Stäbchen und Zapfen und evtl. weitere Zelltypen.

Die zwischengeschalteten Zellen oder Interneurone, welche die erzeugten Impulse einer ersten Verarbeitung innerhalb der Netzhaut unterziehen. Dazu gehören die Horizontalzellen, die Bipolarzellen und die Amakrinzellen.

Die Ganglienzellen, welche die verarbeiteten Informationen an die nächste Schaltstelle außerhalb der Netzhaut weiterleiten.

Als ein Ergebnis evolutionärer Entwicklung, nach der die Netzhaut aus einer Ausstülpung des Zwischenhirns gebildet wurde, ist sie invers aufgebaut, da sich die eigentlichen lichtempfindlichen Zellen in äußeren Schichten befinden, die am weitesten vom Licht entfernt liegen.

Fotorezeptoren (FoRZ)

Den Fotorezeptorzellen kommt unter den Zellen der Netzhaut eine besondere Bedeutung zu, weil sie den eigentlich lichtempfindlichen Zelltyp darstellen. Die FoRZ sind hoch polare Zellen, welche aus einem Außensegment, einem Innensegment, dem Zellkörper und einem Axon mit einer komplexen Synapse bestehen. Grundsätzlich unterscheidet man in der Netzhaut (der Wirbeltiere) Fotorezeptorzellen nach ihrem Bau in zwei Arten: Stäbchen (engl. rods) und Zapfen (engl. cones), die mosaikförmig verteilt sind. Die Stäbchenzellen dienen dem Sehen bei schwacher Beleuchtung (skotopisches Sehen), die Zapfenzellen, beim Menschen mit drei versch. Typen vertreten, dem Farbsehen (photopisches Sehen).

Im menschlichen Auge befinden sich etwa 120 Mio. Stäbchen (Schwarz-Weiß-Sehen) und etwa 6 Mio. Zapfen (für das Farbensehen), jedoch nicht gleichmäßig verteilt. Im Zentrum des Gelben Flecks (Macula lutea) liegt in der Sehgrube (Fovea centralis) der Bereich des schärfsten Sehens; hier sind die Zapfenzellen mit etwa 150.000 pro Quadratmillimeter besonders dicht gepackt, während Stäbchenzellen fehlen. Diese erreichen jedoch eine ähnlich hohe Dichte in einem ringförmigen Areal am Makularand; zur Netzhautperipherie hin nimmt ihre Anzahl ab bis auf etwa 35.000/mm2, wobei Zapfen hier noch rund zehnmal seltener vorkommen.

Ein dritter Typ von lichtempfindlichen Nervenzellen sind die fotosensitiven Ganglienzellen, die an der Synchronisation der inneren Uhr mit dem Tag-Nacht-Rhythmus mitwirken.

Menschen sind Trichromaten, d. h., sie besitzen drei Zapfenarten mit unterschiedlichen Absorptionsmaxima. Es gibt demnach rotempfindliche, grünempfindliche und blauempfindliche Zapfen. Das NS kombiniert die Signale der drei Zapfenarten, um Licht einer bestimmten Spektralverteilung eine Farbe zuzuordnen. Die Zapfen sind weniger lichtempfindlich als die Stäbchen. Daher verändert sich das Farbempfinden bei Nacht, der sog. Purkinje-Effekt (s.d.). Daher stimmt das Sprichwort: Nachts sind alle Katzen grau).

Schon ein einziges Lichtteilchen (Photon) kann ein Stäbchen aktivieren. Allerdings müssen mehrere Stäbchen aktiviert werden, damit die Netzhaut die Anwesenheit von Licht signalisiert. Beim Auftreffen eines Photons auf das in Membranstapel der Fotorezeptoren eingelagerte Sehpigment Rhodopsin erfährt letzteres eine Konformationsänderung. Dadurch wird eine Enzymkaskade ausgelöst, die sog. visuelle Signaltransduktionskaskade, die schließlich zur Aktivitätsänderung der Nervenzelle (Zapfen wie Stäbchen) führt. Für die Aufklärung der Bedeutung des Retinals bekam der US-amerikanische Biochemiker George Wald (1906-1997)1967 den Nobelpreis für Medizin.

Möglicherweise gehört zu den Fotorezeptoren eine dritte Gruppe von Lichtsinneszellen; diese enthalten das Pigment Melanopsin. Dieser Zelltyp wurde erst vor kurzer Zeit entdeckt und ist noch relativ unerforscht. Es wurde nachgewiesen, dass die Melanopsin-Zellen als Fotorezeptoren wirken und bei der Funktion der „inneren Uhr“ eine wichtige Rolle spielen. Sie senden Signale an den Nucleus supra-chiasmaticus, in dem zirkadiane Rhythmen generiert und so Zeitinformationen an den Körper weitergegeben werden (-> Chronobiologie). Nach neuen Erkenntnissen sind diese Ganglienzellen auch für den Pupillenreflex zuständig.

Horizontalzellen, Bipolarzellen, Amakrinzellen

Zwei unterschiedliche Typen von Horizontalzellen verschalten die Fotorezeptoren untereinander. Sie stehen selbst mit Nachbarzellen über Gap-Junction in Kontakt. Horizontalzellen dienen u. a. zur Kontrastverstärkung durch laterale Inhibition benachbarter Fotorezeptoren.

Die Bipolarzellen werden durch die Fotorezeptoren innerviert. In der Säugetierretina unterscheidet man je nach Tierart acht bis zwölf Typen von Bipolarzellen, die Zapfen kontaktieren (Zapfen-Bipolarzellen), und einen Bipolarzelltyp, der Stäbchen kontaktiert (Stäbchen-Bipolarzellen). Dabei unterscheidet man zwischen ON- und OFF-Bipolarzellen. ON-Bipolarzellen depolarisieren auf einen Lichtreiz, wobei OFF-Zellen mit einer Hyperpolarisation reagieren.

Die Bipolarzellen innervieren die Amakrinzellen. Amakrinzellen sorgen – ähnlich wie zuvor die Horizontalzellen – für eine sowohl laterale als auch vertikale Verschaltung des neuronalen Netzwerks in dieser Schicht der Netzhaut und tragen ebenfalls zur Modulation der Signalverarbeitung bei. Insgesamt gibt es über 30 versch. Amakrinzelltypen. Ein Typ, die sog. A2-Amakrinzelle, leitet Signale von Stäbchen-Bipolarzellen an die Zapfen-Bipolarzellen weiter und koppelt damit diese beiden Signalpfade. Ein anderer Typ der Amakrinzellen, die sogenannte Starburst-Zelle, ist am Bewegungssehen beteiligt.

Ganglienzellen der Netzhaut

Den Bipolar- und Amakrinzellen nachgeschaltet sind die Ganglienzellen. Sie sind die Ausgangsneurone der Netzhaut und leiten die visuelle Information über den Sehnerv (Nervus opticus) weiter zur nächsten Schaltstation im Gehirn, dem Corpus geniculatum laterale. Insgesamt lassen sich etwa 20 Ganglienzelltypen unterscheiden.

Schichten der Netzhaut

Das durch die Pupille einfallende Licht durchdringt Linse und Glaskörper als transparente Medien und passiert dann mehrere Schichten der Netzhaut, bevor es von den Photorezeptorzellen des Neuroepithels detektiert wird, die dem außen anliegenden Pigmentepithel zugewandt sind. Vom Glaskörper her zur Aderhaut hin, also bezogen auf das Auge von innen nach außen, zeigt die lichtempfindliche Netzhaut einen schichtartigen Aufbau aus Zellkörpern im Wechsel mit Zellfortsätzen. Hierbei lassen sich meist zehn Schichten unterscheiden, im Bereich der Sehgrube des Gelben Flecks sind einige seitwärts verlagert.

Epiretinale Membran (ERM, innere Grenzmembran, Membrana limitans interna, engl. epiretinal membrane, internal limiting membrane, ILM)

Die innere Grenzmembran setzt die Retina vom Glaskörper ab. Diese innere Begrenzung der Netzhaut wird von der Basalmembran und der Plasmamembran der Müllerschen Zellen sowie möglicherweise anderer Gliazellen gebildet. Darüber hinaus besteht sie aus Kollagenfasern und Proteoglykosiden. Die im Lichtmikroskop homogen erscheinende Schicht bedeckt die gesamte Retina und geht vorne mit einer etwas vergröberten Struktur in die Zonulalamelle über.

Die älteren Histologen waren der Ansicht, dass die pinselartigen Endfüße der Müllerschen Stützfasern fest in der Grenzmembran verankert sind, letztere also als gliöses Produkt zu werten ist. Das Elektronenmikroskop konnte jedoch zeigen, dass die innere Grenzmembran den Charakter einer Basalmembran hat und von den Fußpunkten der Müllerschen Zellen klar abgegrenzt werden kann. Die klinisch nachweisbare starke Haftung der Membran an der Retina kommt wahrscheinlich durch die mit Kittsubstanz gefüllte Zwischenschicht zustande, welche die Gliafortsätze der Müllerschen Zellen mit der Grenzmembran verbindet.

Die innere Grenzmembran wird auch als periphere Verdichtung des Glaskörpergewebes aufgefasst, da sich ihre Faserlamellen schichtweise von der Retina abheben und in die Glaskörpermembran übergehen. Die Dicke der Grenzmembran beträgt ca. 2–3 µm.

Nervenfaserschicht (Stratum neurofibrarum, englisch nerve fiber layer,NFL)

Die Nervenfaserschicht besteht aus Nervenfasern mit den Axonen der Ganglienzellen und nimmt zum Blinden Fleck hin an Dicke zu. Sie leiten jeweils die Signale einer retinalen Ganglienzelle mit der aufgearbeiteten Information von Photorezeptoren eines umschriebenen Netzhautareals zu versch. Gehirnregionen. Die Nervenfaserschicht eines Auges enthält beim Menschen etwa 1 Million Ganglienzellaxone. Bei ihm sind diese Nervenfasern marklos und erhalten ihre Myelinscheiden erst mit dem Austritt aus dem Bulbus am Discus nervi optici, der Sehnervenpapille. Zerstörungen eines Anteils der Nervenfaserschicht, beispielsweise durch eine Druckschädigung bei Grünem Star, haben hinsichtlich des betroffenen Netzhautgebiets eine irreparable Erblindung zur Folge.

In der Foveola der Sehgrube (Fovea centralis) ist die Nervenfaserschicht am geringsten, da sie seitwärts verlagert ist. Vom Wall der Sehgrube gehen Axone zunächst sternförmig aus und ziehen dann in einem mehr oder weniger ausgeprägten Bogen zur Austrittsstelle des Sehnervs (Papille). Zwischen Fovea und Papille laufen sie zusammen und bilden so das makulopapilläre Bündel. Alle übrigen Ganglienzellaxone laufen um dieses Bündel entweder oben oder unten bogenförmig herum. Hierbei überschreiten sie nie die horizontale Mittellinie (Rhaphe).

Die Nervenfasern der vorderen Netzhaut, deren Ganglienzellkörper am weitesten von der Papille entfernt liegen, verlaufen am weitesten außen in der Faserschicht. So bleiben sie, wenn sie zur Papille ziehen, außen und nehmen deshalb auch eine mehr periphere Position im Sehnerv ein. Die Axone der Ganglienzellen, die dichter an der Papille liegen, verlaufen in der NFL oberflächennäher, dadurch kommen sie im Sehnerv auch eher zentral zu liegen.

Auch zentrifugale Fasern – vom Gehirn zur Retina – sind verschiedentlich in der Nervenfaserschicht beschrieben worden. Ihre Funktion und Bedeutung sind jedoch ungewiss. Einige Autoren ordnen ihnen Hemmfunktionen im Sehakt zu, andere bringen sie in Verbindung mit der Gefäßinnervation des retinalen Gefäßnetzes.

In der Nervenfaserschicht und der angrenzenden Ganglienzellschicht verlaufen auch die Aufzweigungen der zentralen Blutgefäße der Retina. Daneben sind in dieser Schicht auch Neurogliazellen vorhanden und versprengte Ganglienzellen zu finden. Die Dicke der Nervenfaserschicht beträgt ca. 20–30 µm.

Ganglienzellschicht

Schichten und Zelltypen der Retina

Legende links: RPE retinales Pigmentepithel, OS Außensegmente der Photorezeptorzellen IS Innensegmente der Photorezeptorzellen, ONL äußere nukleäre Schicht, OPL äußere plexiforme Schicht, INL innere nukleäre Schicht, IPL innere plexiforme Schicht, GC Ganglienzellschicht

Legende rechts: BM Bruch-Membran, P Pigmentepithelzelle, R Stäbchen, C Zapfen, Pfeil: Membrana limitans externa, H Horizontalzelle, Bi Bipolarzelle, M Müller-Zelle, A Amakrinzelle, G Ganglienzelle, Ax Axone

Lichteinfall von innen (unten, GC) nach außen (oben, RPE)

Die Ganglienzellschicht (lat. Stratum ganglionare, engl. ganglion cell layer, GCL) enthält die Zellkörper der retinalen Ganglienzellen.

Die Dendriten der Ganglienzellen ziehen in die angrenzende innere plexiforme Schicht (IPL), wo sie sich verzweigen und die Signale von den Bipolarzellen und den Amakrinzellen entgegennehmen. Weitergeleitet an Regionen im Gehirn werden die Signale schließlich über die Axone der Ganglienzellen, welche in der Nervenfaserschicht verlaufen und sich zum Nervus opticus bündeln.

Die Größe der Zellkörper ist verschieden, die Anordnung der Zellen in der peripheren Retina meist einschichtig, in mittleren und zentralen Zonen mehrschichtig. Neben den Ganglienzellen sind in der GCL noch einige Typen von Amakrinzellen (‚displaced amacrine cells‘) und Gliazellen zu finden. Die Dicke der GCL beträgt ca. 20–30 µm.

Innere plexiforme Schicht (Stratum plexiforme internum, engl. inner plexiform layer, IPL)

In der inneren plexiformen Schicht findet eine Stufe der Vorverarbeitung statt, bevor die Information beispielsweise weitergeleitet wird an visuelle Zentren im Gehirn.

Die IPL besteht aus einem dichten Geflecht, das von den Axonterminalen der Bipolarzellen und von Dendriten der Amakrinzellen und der Ganglienzellen gebildet wird. Die Bipolarzellen liefern aufgearbeitete Signale der Photorezeptoren aus den äußeren Retinaschichten. Die IPL lässt sich untergliedern in fünf Subschichten. Diese Struktur ergibt sich aus den Verschaltungen der Bipolarzellen. Die tonischen OFF-Bipolarzellen bilden Synapsen in der ersten Subschicht der IPL. Die phasischen OFF-Bipolarzellen verschalten in der zweiten. Die phasischen ON-Bipolarzellen verschalten in Subschicht vier und die tonischen ON-Bipolarzellen in der fünften.

Die Signalweitergabe wird jeweils durch synaptische Interaktionen mit Amakrinzellen moduliert und erreicht so schließlich die retinalen Ganglienzellen.

Gelegentlich finden sich in der IPL auch Zellkörper von „deplatzierten“ (displaced) Neuronen, außerdem Neuroglia. Die Dicke dieser Schicht beträgt etwa 50–70 µm.

Innere Körnerschicht (Stratum nucleare internum, engl. inner nuclear layer, INL)

Die innere Körnerschicht enthält die Zellkörper von funktionell stark unterschiedlichen Zellen.

In der INL sind die Zellkörper von Bipolar-, Amakrin- und Horizontalzellen für die Vorverarbeitung von Signalen angesiedelt, sowie die Zellkörper des neuronalen Stützgewebes, der Müller-Zellen. Am weitesten außen liegen die Horizontalzellen, dann folgen die Zellkörper der Bipolarzellen und Müller-Zellen, an der inneren Begrenzung liegen die amakrinen Zellen. Innerhalb der Macula im Wall um die Sehgrube ist die INL mit einem Dutzend Zellreihen besonders dick, sie verjüngt sich peripher auf eine zwei- bis dreireihige Anordnung der Zellkerne. Die Dicke der inneren Körnerschicht beträgt 30 µm.

Äußere plexiforme Schicht (Stratum plexiforme externum, engl. outer plexiform layer, OPL)

Die äußere plexiforme Schicht stellt die Verbindung zwischen Photorezeptoren und den nachgeschalteten Zellen her.

Dendriten der Bipolar- und Horizontalzellen werden mit den synaptischen Enden der Photorezeptoren verschaltet und bilden somit die erste Stufe der intraretinalen Informationsverarbeitung. Diese Schicht enthält auch die Fortsätze der Müllerschen Stützfasern. In der Übergangszone zur nächsten Schicht liegt das tiefere Versorgungsnetz der retinalen Kapillaren, die Abkömmlinge der zentralen Netzhautarterie sind. Diese Gefäße verlaufen sehr konstant in einer Ebene und stoßen kaum in andere Schichten vor. Die Dicke dieser Schicht beträgt etwa 20 µm.

Äußere Körnerschicht (Stratum nucleare externum, englisch outer nuclear layer, ONL)

Die äußere Körnerschicht, ist die Schicht der Zellkörper der Photorezeptoren.

Die Zellkörper der Stäbchen und Zapfen sind im ONL parallel nebeneinander gruppiert und erstrecken ihre verdickten lichtsensitiven Fortsätze, die Außensegmente, in Richtung des RPE. Die Kerne der Zapfen liegen in einer einzelnen Schicht nahe der Grenzmembran, die der Stäbchen bilden 4 bis 6 Lagen. Eine Ausnahme von dieser Anordnung besteht beim Menschen in der Fovearegion, in der Zapfen auch mehrschichtig gelagert sind.

Besonders zu vermerken ist, dass in dieser Schicht wesentlich mehr Zellkerne anzutreffen sind, als in der Schicht der Bipolar- und Ganglienzellen. Die Dicke dieser Schicht beträgt etwa 40 µm.

Äußere Grenzmembran (ÄGM, Membrana limitans externa, Stratum limitans externum, engl. external limiting membrane, ELM)

Die äußere Grenzmembran ist eine weitgehend undurchlässige Trennschicht. Sie wird durch eine horizontal gelegene Reihe von Zelladhäsions-Verbindungen (Zonulae adhaerentes, adhering junctions) gebildet, welche zwischen Ausläufern der Müllerschen Zellen und den Photorezeptorzellen ausgebildet sind. Durch die Lücken dieses fibrillären Netzwerks treten die Innenglieder der Rezeptorzellen. In der Region der Ora serrata setzt sich die äußere Grenzmembran in jene Substanz fort, welche die beiden Schichten des Ziliarepithels verbindet.

Innensegment (IS, Innenglied, engl. inner segment, IS)

Das Innensegment besteht aus stoffwechselreichen Kompartimenten der Photorezeptoren. Das IS ist der Bereich der Photorezeptorzellen, der Mitochondrien und endoplasmatisches Retikulum (ER) enthält. Hier erfolgt unter anderem die Proteinbiosynthese und andere Stoffwechselaktivität. Getrennt werden die inneren von den äußeren Segmenten durch ein schmales Verbindungscilium, durch welche alle Stoffe für das Außensegment aktiv transportiert werden müssen.

Außensegment (AS, Außenglied, engl. outer segment, OS)

Das Außensegment ist das lichtsensitive Kompartiment der Photorezeptoren. Hier erstrecken sich die Außensegmente der Photorezeptoren vom Verbindungscilium bis zum RPE. Am Verbindungscilium entstehen neue Diskmembranen, Membranabschnürungen bepackt mit Rhodopsin. Rhodopsin ist in die Disks eingelagert und initiiert die visuelle Signaltransduktion. Durch die Neusynthese bewegen sich diese Disks zum RPE und werden dort phagozytiert.

Retinales Pigmentepithel (RPE, Stratum pigmentosum, engl. retinal pigment epithelium, RPE)

Das retinale Pigmentepithel ist zunächst ein abschattender Lichtfilter. Dort findet aber auch ein Stoffaustausch mit Photorezeptoren statt.

Mit dem Pigmentepithel, einem hexagonal aufgebauten, einschichtigen Epithel, das aus dem äußeren Blatt des embryonalen Augenbechers hervorgeht, wird die Netzhaut gegen die Aderhaut (Choroidea) abgesetzt. Die Zellen des RPE enthalten durch Melanin schwarz gefärbte Melanosomen, welche funktionell Lichtfilter darstellen. Apikal umgreifen fingerartige, mikrovilläre Fortsätze des RPE die Photorezeptorzellen, welche der Ernährung der Photorezeptoren, dem Recycling der alten Diskmembranen der Photorezeptoraußensegmente sowie der Regeneration des gebleichten Retinals aus aktiviertem Rhodopsin dienen. Basal zeigen diese Zellen tiefe Furchen, die dem besseren Stoffaustausch mit den Blutgefäßen der Choroidea dienen. RPE-Zellen verhindern ein Eintreten von Blut aus der stark vaskularisierten Choriocapillaris (die stark durchblutete Grenzschicht der Aderhaut). In der Pars optica retinae wird die Verbindung zwischen dem RPE und der Neuroretina nur durch einen vom RPE aktiv erzeugten Sog aufrechterhalten, eine feste Verbindung existiert nur an der Ora serrata.

Erkrankungen der Netzhaut

Beispiele für Erkrankungen der Netzhaut sind:

Diabetische Retinopathie, infolge einer Zuckerkrankheit auftretende Netzhauterkrankung

hypertensive Retinopathie, durch Bluthochdruck hervorgerufene Netzhauterkrankung

eklamptische Retinopathie, bei Schwangeren im Rahmen einer Eklampsie auftretende Netzhauterkrankung

Retinopathia praematurorum, bei Frühgeborenen vorkommende Netzhauterkrankung

Retinopathia pigmentosa, auch Retinitis pigmentosa (RP) genannte angeborene Netzhautkrankheit

Retinopathia centralis serosa, schwellungsbedingte zentrale Netzhautabhebung

Netzhautdystrophie

Netzhautablösung

Netzhautforamen

Netzhautspaltung

Gefäßverschlüsse, arteriell mit Ischämie, und Infarkte

Makuladegeneration

Makuläre Teleangiektasien

Azoor Akute zonale okkulte äußere Retinopathie

periphere Netzhautdegeneration mit Verdünnung der Netzhaut und Glitzerwolken

Aspirin

Eine US-amerikanische Langzeitstudie aus Wisconsin legt die Vermutung nahe, dass die regelmäßige Einnahme von Aspirin möglicherweise zu Netzhautschädigungen führen könne und das Risiko einer altersbedingten Makuladegeneration (AMD) deutlich erhöhe. Ein kausaler Zusammenhang mit der Krankheitsentstehung konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.

Untersuchungsverfahren

Eine Standardmethode zur Untersuchung der Netzhaut stellt die direkte bzw. indirekte Ophthalmoskopie oder Funduskopie (Augenspiegelung) dar. Sie besteht in der Beleuchtung des Augenhintergrundes und der Betrachtung des reflektierten Bildes mit einer Lupe. Seit der Erfindung des Augenspiegels 1851 durch Hermann von Helmholtz ist dieses Verfahren in der ophthalmoskopischen Diagnostik etabliert.

In den letzten Jahrzehnten wurden weitere Verfahren zur Netzhautdiagnostik entwickelt:

Eine relativ neue, technisch herausragende und teurere Methode ist die Optische Kohärenztomografie (OCT), die die Abbildung des Untersuchungsgebietes um die dritte Dimension erweitert. Sie ermöglicht die Anfertigung hochauflösender Schnittbilder oder auch dreidimensionaler Tomografien mit einer zum histologischen Bilde vergleichbaren Qualität (Auflösungsvermögen bis 3 µm im Vergleich zu 0,3 µm beim Lichtmikroskop). Hier können die einzelnen Netzhautschichten aufgelöst und in ihrer Dicke vermessen werden. Dadurch lassen sich feinste Unterschiede feststellen, die für die adäquate Therapie bestimmter Netzhauterkrankungen oder auch beim Testen von Medikamenten maßgeblich sein können.

Weitere bildgebende Verfahren bieten neuartige Scanning-Laser-Ophthalmoskope, wie der Heidelberg Retina Tomograph (HRT), die mittels punkt- oder zeilenweisem Abtasten der Netzhaut und konfokaler Blenden- und Beleuchtungstechnik hochauflösende dreidimensionale Schicht- oder Reliefdarstellungen erzeugen können.

Weitere Untersuchungs- und Beurteilungsmöglichkeiten bestehen auf elektrophysiologischer Ebene durch

das Elektroretinogramm (ERG)

das Elektrookulogramm (EOG)

sowie zur Darstellung der retinalen Durchblutung durch

die Fluoreszenzangiographie (auch FLA, FAG oder Angio abgekürzt)

die Indocyaningrün-Angiographie

die Retinale Gefäßanalyse mit dem Retinal Vessel Analyzer, die nicht nur bei Diabetes mellitus, sondern auch zur Diagnostik allgemeiner Veränderungen der Mikrogefäße („Spiegelbild der Mikrovaskulatur“) eingesetzt wird.

Die Netzhaut besteht aus 6 Zellschichten, die jeweils verschiedene Funktionen haben. Die lichtaktiven Sinneszellen (Stäbchen und Zapfen) befinden sich nicht auf der lichtzugewandten Außenseite der Retina (wie man vermuten könnte), sondern sind auf der lichtabgewandten Seite. Dort sind sie in das Retinales Pigmentepithel (RPE) eingelagert, einen dünnen Schicht, die überschüssiges Licht absorbiert und die Netzhaut von der Aderhaut trennt. Dem Licht zugewandt sind vier weiteren Schichten – sie dämpfen quasi die die fotoaktiven Bereiche und schützen die Sinneszellen vor Überreizung.

Die Reihenfolge der Zellschichten verläuft aus Sicht des Lichtes umgekehrt zu ihren Funktionen.

  • Ganglienzellen (leiten Nervenimpulse ans Gehirn), ca. 1 Millionen pro Auge
  • Amakrinzellen (Verarbeiten Informationen der Bipolar und Horizontalzellen)
  • Bipolarzellen (Verstärken und bündeln Informationen der Horizontalzellen und Fotorezeptoren)
  • Horizontalzellen (Verstärken und bündeln Informationen der Fotorezeptoren)
  • Fotorezeptoren (wandeln Lichtfotonen in Nervenimpulse um), ca. 126 Millionen pro Auge
  • Retinales Pigmentepithel (RPE): Absorbieren von überschüssigem Licht, Abgrenzung der Fotorezeptoren von der stark durchbluteten Aderhaut.

(Quelle: Brillen & Sehhilfen)

Quellen, Literatur & Veröffentlichungen

Robert F. Schmidt, Hans-Georg Schaible (Hrsg.): Neuro- und Sinnesphysiologie. 5. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2005, ISBN 978-3-540-25700-4.

Franz Grehn: Augenheilkunde. 30. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-75264-6.

Albert J. Augustin: Augenheilkunde. Springer Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-30454-8.

R. W. Young: The ninth Frederick H. Verhoeff lecture. The life history of retinal cells. In: Transactions of the American Ophthalmological Society. Band 81, 1983. S. 193–228, ISSN 0065-9533. PMID 6375087. PMC 1312450 (freier Volltext). (Review).

Weblinks

Wiktionary: Netzhaut – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Dendritic Processing in the Retina

Das Fotolabor in der Netzhaut. In: Max Planck Forschung, 03/2001

The Organization of the Retina and Visual System. Webvision, Webseite des John Moran Eye Centers der Universität Utah zu nahezu allen Aspekten der Säugerretina (englisch)

Einzelnachweise

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Peter K. Ahnelt, Helga Kolb: The mammalian photoreceptor mosaic-adaptive design. In: Progress in Retinal and Eye Research. Band 19, Nr. 6, 2000, S. 711–777, doi:10.1016/S1350-9462(00)00012-4

Imke Ortmann: Live beobachtet: der Richtungsdetektor im Auge. In: Spektrum der Wissenschaft, November 2002, Heft 11, S. 12ff.

Richard H. Masland: The Neuronal Organization of the Retina, in Neuron 76, October 18, 2012

Th. Axenfeld (Begr.), H. Pau (Hrsg.): Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde. Unter Mitarbeit von R. Sachsenweger u. a. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1980

rme/aerzteblatt.de: Acetylsalicylsäure könnte Augenleiden fördern. In: aerzteblatt.de. 19. Dezember 2012, abgerufen am 21. Januar 2015.

B. E. Klein, K. P. Howard u. a.: Long-term use of aspirin and age-related macular degeneration. In: JAMA. Band 308, Nummer 23, Dezember 2012, ISSN 1538-3598, S. 2469–2478, doi:10.1001/jama.2012.65406, PMID 23288416, PMC 3630794 (freier Volltext).

Ronald D. Gerste: Spiegelbild der Mikrovaskulatur. Deutsches Ärzteblatt 115(48): A2234-A2238. 30. November 2018

Die Stäbchen- und Zapfen-Außenglieder der Photorezeptoren in der Netzhaut (Retina) sind Anteile dieser Rezeptorzellen, die den Anfang der Neuronenkette darstellen. Die Zellkörper dieser zugleich 1. Neurone liegen in der äußeren Körnerschicht (Stratum nucleare externum). Von hier wird die Erregung weiter auf die inneren Körnerzellen der Retina geleitet. Die bipolaren Nervenzellen sind die 2. afferenten Neuronen. Ihre Neuriten ziehen zu den multipolaren Nervenzellen in der Ganglienzellschicht (Stratum ganglionare) der Netzhaut, welche die 3. neuronale Ebene darstellen. Die ersten beiden Umschaltungen erfolgen also bereits innerhalb der Retina. Eine zusätzliche laterale Verarbeitung erfolgt durch die Amakrinzellen und die Horizontalzellen der inneren Körnerschicht (Stratum nucleare internum).

Die langen Axone der retinalen Ganglienzellen verlaufen zunächst in der Nervenfaserschicht (Stratum neurofibrarum) an der inneren Netzhautoberfläche, sammeln sich und verlassen das Auge in der Sehnervenpapille (Discus nervi optici). Zusammen bilden sie nun myelinisiert jeden Sehnerven (Nervus opticus) eines Auges.

Dieser zieht aus der Augenhöhle im Canalis opticus durch den Schädel zur Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum) an der Hirnbasis nahe der Hypophyse. Hier wechseln bei allen Wirbeltieren die Fasern aus der je nasalen (medialen) Netzhauthälfte auf die andere Körperseite.

Der Anteil für die restlichen der je temporalen (lateralen) Retinahälften ist artabhängig unterschiedlich. Bei Amphibien wie Fröschen kreuzen auch diese vollständig, sodass anschließend 100 % der Fasern eines Sehnerven auf der Gegenseite (kontralateral) zu finden sind. Bei den meisten Vogelarten kreuzen nahezu alle Fasern, bei Huftieren etwa 90 %, bei Eulen unter 70 %, bei Katzen meist etwa 60 %, bei Primaten wie dem Menschen sind es etwa 50 %, was für deren binokulare Raumwahrnehmung jeweils optimal ist.

Vom Chiasma opticum setzt sich die Sehbahn weiter fort als Sehstrang (Tractus opticus) zu versch. Hirnregionen. Dabei gelangt der Hauptteil der Fasern nach Eintritt an der Hirnbasis zum Corpus geniculatum laterale (CGL, seitlicher Kniehöcker) des Zwischenhirns. Hier findet die erste Verschaltung der Sehbahn außerhalb der Retina statt, auf die 4. Neuronen. Von hier aus ziehen Axone von Projektionsbahnen zu gleichseitigen Arealen der Großhirnrinde. Sie bilden als Tractus geniculo-calcarinus den aufsteigenden Teil der Sehstrahlung Radiatio optica (Gratiolet-Sehstrahlung, s.d.) und ziehen, teils durch die Capsula interna, zu den 5. Neuronen im Sulcus calcarinus des Okzipitallappens des Neocortex, hauptsächlich denen der Area striata (Area V1//Brodmann-Areal 17, s.d.) als der primären Sehrinde.

Etwa ein Zehntel der Sehnervenfasern dienen nicht dem Sehen, sondern unbewussten Prozessen. Diese Fasern des non-visuellen Systems der Photosensitivität ziehen vom Tractus opticus ausgehend direkt, ohne vorherige Verschaltung im Corpus geniculatum laterale, als Tractus retino-hypothalamicus jederseits zum Nuc supra-chiasmaticus im Hypothalamus bzw. daneben (über das Brachium colliculi superioris) sowohl zu den Nuclei pretectales im Epithalamus des Zwischenhirns wie zu den benachbarten Colliculi superiores im Dach des Mittelhirns (Tectum mesencephali). Diese Anteile tragen wesentliche Funktionen für die durch Zeitgeber synchronisierte zirkadiane Rhythmik bzw. daneben für Akkommodations- und Pupillenreflexe sowie Anpassungsbewegungen von Augen und Kopf.

Exkurs: Frühere Ansichten über die kortikalen Faltungen und Fissuren (Gyri, Sulci & Fissuren)

Der griechische Anatom Erasistratus (um 310-350 vC) war wahrscheinlich der erste, der auf die organisatorische Komplexität der kortikalen Faltung bei versch. Lebewesen aufmerksam machte. Dieser alexandrinische Arzt ging so weit, das Ausmaß der kortikalen Faltung mit dem der Intelligenz in Verbindung zu setzen.

Drei Jahrhunderte später wies der einflussreiche Arzt Galen (ca. 129-201) diese Ansicht zurück. Für ihn verdienten die kortikalen Falten nicht mehr Aufmerksamkeit als die Schlingen des Dünndarms. Galen glaubte, dass höhere Gehirnfunktionen ihren Sitz tief in den Hirnkammern hätten, nicht auf der Oberfläche des Gehirns. Von der christlichen Philosophie wiederbelebt, wurde diese Ansicht nach und nach zu einem Dogma, das das medizinische Denken über 1500 Jahre lang dominierte.

Das änderte sich erst in der Mitte des 17. JH, als Franciscus de le Boé Sylvius (1614-1672, s.d.), ein Anatom, der in Leyden arbeitete, im menschlichen Gehirn eine tiefe seitliche Spalte bemerkte, die „das Großhirn in einen oberen, größeren Abschnitt und einen tieferen, kleineren teilt“, ein Spalt, der heute seinen Namen trägt (Sylvische Fissur, s.d.). Später entdeckte der Oxforder Arzt Thomas Willis (1621-1675) eine gewisse Regelmäßigkeit im Muster der Organisation kortikaler Faltungen bei versch. Säugetieren. Er stellte fest, dass diese Gehirnfalten bei Vierbeinern viel seltener sind als beim Menschen und bei Primaten viel stärker ausgedehnt sind als bei Fleischfressern. Willis‘ Darstellung der Großhirnrinde ist jedoch erstaunlich skizzenhaft im Vergleich zu seiner recht genauen Wiedergabe der subkortikalen Strukturen, insbesondere des Corpus striatum.

Im 18. JH ging der französische Arzt und Anatom Félix Vicq d’Azyr (1748-1794, s.d.) noch einen Schritt weiter, indem er erkannte, dass die kortikalen Faltungen bei Affen zwar weniger zahlreich als beim Menschen waren, aber bilateral symmetrisch und ähnlich organisiert bei allen Individuen, die derselben Gattung angehören. Überraschenderweise jedoch dachte Vicq d’Azyr, dass das strukturelle Muster der menschlichen kortikalen Gyri und Sulci von einer Seite des Gehirns zur anderen sowie von einem Individuum zum anderen variierte. Vicq d’Azyr scheint der erste gewesen zu sein, der den zentralen Sulcus abgrenzte, aber er nannte ihn nicht.

Es ist der französische Anatom und Irrenarzt („Alienist“) Francois Leuret (1797-1851), der, nachdem er Vicq d’Azyrs Werk offenbar falsch gelesen hatte, den Namen des italienischen Anatomen Luigi Rolando (1773-1831, s.d.) mit dem Zentralsulkus in Verbindung gebracht hat.

Die Hirnwindungen fanden neues Interesse Anfang des 19. JH als Franz-Joseph Gall (1758-1828, s.d.) seine Lokalisierungstheorie formulierte. Gall argumentierte, dass sich alle wichtigen menschlichen Fähigkeiten in bestimmten Regionen des kortikalen Mantels befinden, aber sein Beharren auf der einfachen Palpation des Schädels (Cranioskopie) als Mittel, um die relative Prominenz jedes dieser kortikalen Loci zu bestimmen, führte zum schnellen Zusammenbruch seines Systems (Phrenologie).

1829 lieferte der italienische Neuroanatom Luigi Rolando die erste genaue Darstellung der menschlichen Hirnwindungen. Doch trotz der Genauigkeit seiner Beschreibung und der Klarheit seiner Illustrationen wurde Rolandos Werk ignoriert, bis Gratiolet es wiederentdeckte und zum Fundament seines eigenen Werkes machte.

Ein wichtiger Beitrag zur Gehirnanatomie (Übersetzung jols/Microsoft

Gratiolet verfolgte den von de Blainville eingeschlagenen Pfad weiter und wurde nach und nach zu einem der führenden vergleichenden Neuroanatomen des 19. JH. Bis auf einen kurzen Bericht über einen Fall von Mikrozephalie, achtete er weder auf die pathologische Anatomie noch auf Vivisektion, um die funktionellen Korrelationen von Gehirnstrukturen zu bestimmen. Dennoch kann Gratiolet als Pionier in der Erforschung der embryonalen Entwicklung des Gehirns sowie in der mikroskopischen Analyse von neuroanatomischem Gewebe betrachtet werden. Seine sorgfältige mikroskopische Untersuchung des menschlichen Rückenmarks ermöglichte es ihm, eine ziemlich adäquate Beschreibung der wichtigsten Rückenmarksfaserbündel zusammen mit realistischen Darstellungen von Rückenmarksneuronen mit ihren multiplen protoplasmatischen Erweiterungen (Dendriten und Axonen), deren distales Segment mit einem Myelinmantel umhüllt ist, abzuliefern. Fragwürdiger sind andere Abbildungen, die Anastomosen darstellen, von denen angenommen wurde, dass sie Neuronen miteinander verbinden, in Übereinstimmung mit der damals weit verbreiteten Meinung hinsichtlich einer netzartigen Organisation des zentralen Nervensystems.

In Zusammenarbeit mit Leuret lieferte Gratiolet detaillierte Beschreibungen der Gehirne versch. Säugetiere, einschließlich einer schönen Darstellung des Enzephalons eines Elefanten. Ein Großteil seines Interesses orientierte sich jedoch an Primaten. In Bezug auf das menschliche Gehirn war Gratiolet der erste, der genau die verschiedenen Gruppen von subkortikalen Fasern beschrieb, einschließlich der Assoziationsfasern, Kommissuren und Projektionssysteme. Er stellte auch die Fasern dar, die aus dem lateralen Kniehöcker entspringen und sich innerhalb des visuellen Kortex, des tractus geniculo-calcarinus, der heute noch als Gratiolets optische Strahlung bekannt ist, verzweigen.

Gratiolet nutzte die reichen Sammlungen des Muséum d’histoire naturelle, um eine lange und sorgfältige Studie zu initiieren, in der er die Organisation des menschlichen Gehirns mit der von mehreren kleinen und größeren Affen und von 20 verschiedenen Arten der Neuen Welt verglich und Affen aus der Alten Welt. Die Ergebnisse dieser einzigartigen Untersuchung wurden in einer bemerkenswerten Arbeit mit dem Titel Mémoire sur les plis cérébraux de l’homme et des primates (Abhandlung über die Gehirnfalten von Menschen und Primaten) zusammengefasst, die 1854 veröffentlicht wurde. Eine erweiterte Version dieses Werkes erschien 1857 im zweiten Band von Leurets Buch.

Mitte des 19. JH trennten Neurologen das menschliche Gehirn entlang der antero-posterioren Achse in einen vorderen und einen hinteren Lappen. Stattdessen unterteilte Gratiolet die menschlichen Hirnhälften in fünf verschiedene Lappen, die er nach dem Teil des Schädels benannte, der jeden von ihnen bedeckte. Er betrachtete die Insel als einen zentralen Lappen, um den sich die frontalen, parietalen, okzipitalen und temporalen (temporo-sphenoidalen) Lappen gruppierten bzw. drehten. Er identifizierte korrekt die meisten Gyri und Sulci auf allen Gehirnoberflächen und führte den Begriff plis de passage für einige miteinander verbundene Gyri ein.

Seine detaillierte vergleichende Untersuchung des Primatenhirns führte ihn zu der Erkenntnis, dass das Organisationsmuster der zerebralen Faltungen bei allen Primaten sehr vorhersehbar war, bis zu dem Punkt, dass es als Kriterium für die Klassifizierung der verschiedenen Primatengruppen dienen konnte. Er stellte fest, dass nur die tiefsten Sulci in niedrigeren Primatenformen existieren, während die Anzahl und Komplexität der kortikalen Falten bei Menschenaffen und Menschen deutlich zunehmen.

Gratiolet war auch der erste, der einen grundlegenden Unterschied zwischen Affen und Menschen in Bezug auf die Entwicklung des Gehirns bemerkte. Während Sulci zuerst im hinteren Teil der zerebralen Hemisphären bei Affen auftreten, werden sie zuerst in den Frontallappen des menschlichen Fötus sichtbar.

Mehrere führende Autoritäten aus verschiedenen europäischen Ländern, darunter der berühmte englische Geologe und Evolutionist Charles Lyell (1797-1875), schätzten Gratiolets Beitrag zu unserem Wissen über die Primatenhirnorganisation sehr. Lyell betrachtete Gratiolet als „die höchste Autorität unserer Zeit in Bezug auf die Anatomie des Gehirns“ und er ging so weit, einige von Gratiolets Zeichnungen für seine eigene Arbeit der menschlichen Evolution zu benutzen.

Über menschliche Gehirnfunktion und Rassen

Überraschenderweise schenkte der Neuroanatom des 19. JH, der das menschliche Gehirn in eine so große Anzahl unterschiedlicher Entitäten unterteilte, der funktionellen Bedeutung dieser bemerkenswerten Vielfalt nicht viel Aufmerksamkeit. Gratiolet nahm die vorherrschende einheitliche Sicht der Gehirnfunktion an: „Generell stimme ich Flourens [der französischen Physiologe Marie-Jean-Pierre Flourens (1794-1867)] zu, dass Intelligenz eine Einheit ist, dass das Gehirn eins ist und dass es wirkt, vor allem als integrales Organ [organe d’ensemble]“. Er nahm diese Position vor allem ein wegen des Mangels an harten Daten, die einen bestimmten Fall von funktionaler Lokalisierung bestätigten. Schließlich akzeptierte er jedoch die Darstellung seines Kollegen und Landsmannes Paul Broca (s.d.) von der Existenz eines Sprachzentrums im unteren frontalen Gyrus, eine Faltung, die er selbst so klar umgrenzte (pli surcillier).Die Frage der Beziehung zwischen Gehirngröße und Intelligenz wurde während der Sitzungen der Anthropologischen Gesellschaft, die Anfang 1861 in Paris stattfanden, heiß diskutiert. Gratiolet beteiligte sich aktiv an dieser Debatte unter der Leitung von Broca, der bestätigte: „Im Allgemeinen ist das Gehirn bei Männern größer als bei Frauen, bei herausragenden Männern als bei Männern mit mittelmäßigem Talent, in überlegenen Rassen als bei minderwertigen Rassen“ . Gratiolet wandte sich entschieden gegen Brocas Ansicht eines direkten Zusammenhangs zwischen Intelligenz und Gehirngröße. Er dachte, dass, entweder bei Individuen oder in Rassen, das Volumen des Gehirns relativ bedeutungslos war. Er glaubte, dass bei der Suche nach anatomischen Korrelaten menschlicher Intelligenz eine detaillierte Analyse der Form und inneren Organisation des Gehirns wahrscheinlich viel lohnender sein würde als die Messung der gesamten Hirnmasse.

Gratiolet hielt sich jedoch weitgehend an Brocas Vorstellungen über den Einfluss von Rassen auf die Gehirnkonformation. Für Gratiolet waren niedrigere Rassen keine minderwertigen Kaukasier, sondern „vollkommene“ Wesen, die einfach auf dem Maßstab der Schöpfung niedriger platziert wurden, ein Zustand, der auch die Organisation des Gehirns reflektierte.

Um seinen Standpunkt zu veranschaulichen, verglich Gratiolet das Gehirn eines typischen weißen europäischen Mannes mit dem von Saartjie („Sarah“) Baartman (ca.1789-1815), einer jungen südafrikanischen Sklavin, die als Hottentottenvenus bekannt ist. Baartman, die Steatopygie (Fettsteiss) und Makronymphie (hypertrophe Schamlippen) aufwies, die typische genetische Merkmale ihrer ethnischen Gruppe (Khoisans) sind, wurde nach London und Paris gebracht, um als Symbol für schwarze Unterlegenheit und Hypersexualität ausgestellt zu werden. Sie starb in Paris vermutlich im Alter von 25 Jahren an einer Lungenentzündung. Nach Baartmans Autopsie wurde ihr Gehirn (sowie ihre Genitalien) seziert und im Muséum d’histoire naturelle ausgestellt, wo Gratiolet genügend Zeit hatte, es zu studieren. Er beschrieb Baartmans Gehirn als viel weniger „gefaltet“ als das eines weißen Mannes und verglich es mit dem Gehirn eines Idioten. Da Baartman zuvor von seinem ehemaligen Mentor de Blainville sowie vom berühmten französischen Zoologen Georges Cuvier (s.d., 1769-1832) interviewt worden war, wusste Gratiolet, dass sie eine intelligente Person war. Unter Berücksichtigung dessen kam er zu dem Schluss, dass das, was für „minderwertige“ Rassen perfekt ist, für „überlegene“ (jedoch) unvollkommen ist, oder, mit anderen Worten, was für einige Rassen minderwertig ist, ist, abwertend in anderen (sorry, aber dazu reicht mein Englisch nicht aus, einen ursprünglich französischen Text, der von anderen vermutlich auch noch falsch ins Englische übersetzt wurde in korrektes Deutsch zurückzuübersetzen…daher füge ich den originalen englischen Text noch an).

Since Baartman had been previously interviewed by his former mentor de Blainville, as well as by the celebrated French zoologist Georges Cuvier (1769-1832), Gratiolet knew that she was an intelligent person. Taking that into account, he concluded that what is perfect for inferior races is imperfect for superior ones or, in other words, what is inferiority is some races is degradation in others.

André Parents harsche Aussagen zeigen, dass Gratiolet mit den meisten Neurologen des 19. JH eine genuine rassistische Sicht der Gehirnorganisation teilte. Doch trotz seines unglücklichen Eindringens in das Minenfeld der interrassischen Vergleiche verdient Gratiolet unseren vollen Respekt dafür, dass er uns die ersten klaren und detaillierten Ansichten über die Organisation der Gehirnoberfläche bei einer großen Anzahl von Primaten gegeben hat, einschließlich des Menschen. Die verschiedenen Hirnkarten, die er so akribisch konstruierte, leiten Neurowissenschaftler noch heute bei der Arbeit.

Veröffentlichungen, Literatur & Quellen:

Parent, A. (1996) Carpenter’s Human Neuroanatomy. 9th Edition, Williams & Wilkins, Baltimore

Parent, A. (2009) Histoire du cerveau. De l’antiquité aux neurosciences. Les Presses de l’Université Laval, Québec & Chronique Sociale, Lyon.

Parent, A. (2012) The History of the Basal Ganglia: The Contribution of Karl Friedrich Burdach. Neuroscience & Medicine, 3, http://dx.doi.org/10.4236/nm.2012.34046 

Colonnier, M. (1981) The Organization of the Cerebral Cortex. MIT Press, Cambridge

Broca, P. (1865) Éloge funèbre de Pierre Gratiolet prononcé sur sa tombe le 16 fevrier 1865. E. Martinet, Paris.   

Broca, P. (1861) Sur le volume et la forme du cerveau suivant les individus et les races. Bulletin de la Société d’Anthropologie (Paris), 2, 139-204, 301-321

Sylvius, F. (1663) Disputationes medicarum. J. van den Bergh, Amstelodami

Willis, T. (1672) De anima brutorum. R. Davis, Oxonii

Vicq d’Azyr, F. (1786) Traité d’anatomie et de physiologie. Didot, Paris

Gall, F.J. and Spurzheim, J.K. (1810-1819) Anatomie et physiologie du système nerveux en général et du cerveau en particulier (4 vol.). E. Schoell, Paris

Rolando, L. (1829) Della struttura degli emisferi cerebrali. Memorie della Regia Academia delle Scienze di Torino, 35

Gratiolet, P. (1854) Note sur les expansions des racines cérébrales du nerf optique et sur leur terminaison dans une region determinée de l’écorce des hémisphères. Comptes Rendus des Séances de l’Académie des Sciences (Paris), 39

Gratiolet, P. (1854) Mémoire sur les plis cérébraux de l’homme et des primates. A. Bertrand, Paris

Leuret, F. and Gratiolet, P. (1839, 1957) Anatomie comparée du système nerveux consideré dans ses rapports avec l’intelligence. Baillière, Paris, Vol. 1 (F. Leuret), Vol. 2 (P. Gratiolet), 1857

Lyell, C. (1863) Geological Evidences of the Antiquity of Man. J. Murrray, London